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Freitag, 20. September 2013

Letzte Woche

Es ist zwar nur eine Woche seit  meinem letzten Lebenszeichen vergangen, trotzdem ist schon wieder genug passiert um damit einen weiteren  Blogeintrag zu füllen.
Um es euch einfacher zu machen versuche ich mal chronologisch forzugehen. Wie angekündigt sind wir also am Samstag nach Papallacta gefahren. Mittlerweile schon fast aus Gewohnheit haben wir uns am Busbahnhof in Quitumbe getroffen um den Auflug zu starten. Die meisten Freiwilligen die mitkamen, mich eingeschlossen, wohnen im Norden Quitos, Quitumbe liegt im äussersten Süden. Da die Stadt in ein Andental gequetscht ist, hat sie in etwa die Form eines Striches und obwohl in der gleichen Stadt liegen mein Wohnort und Quitumbe gut 40 Kilometer von einander entfernt. Um sich nicht durch den zähen Stadtverkehr quälen zu müssen fährt man am besten zur nächst grösseren Station - in meinem Fall die Entrada de Carapungo - und steigt da in einen privaten Transporter, dessen Fahrer behauptet dahin zu fahren wo man hinmöchte. Dieser nutzt dann eine der die Stadt umgebenden Schnellstrassen und wenn man Glück hat kommt man für gut einen Dollar dahin wo man möchte. Leider kommt es vor - so bei meinem ersten Versuch auf diese Art nach Quitumbe zu kommen - das der Fahrer einem dann auf halber Strecke erzählt er fahre "nur in die Nähe" und man landet planlos irgendwo im Süden einer lateinamerikanischen Millionenstadt. Doch dieses Mal ging alles gut, alle sind pünktlich und wir hoppsen in den Bus nach Papallacta. Nach einiger Zeit bemerken wir, das der Bus genau dahin fährt wo wir herkommen und wir hätten uns gut zwei Stunden sparen, und im Norden einsteigen, können. Die Enttäuschung ist schnell vergessen und man kann es eh nicht mehr ändern. Eine ziemlich ecuatorianische Einstellung die mir sehr sympatisch ist. Man macht sich allgemein wenige Sorgen und vergisst diese möglichst schnell wieder.
Wie bei jedem Wochenendsausflug bisher ist das Starren aus dem Busfenster eines der Highlights. Wir schlängeln uns von Quitos 2800m bis auf Papallactas 3300m hoch. Dabei passieren wir schroffe Berghänge, einen erstaunlich dichten und nordisch wirkenden Nadelwald und schliesslich auch die Baumgrenze. Danach befinden wir uns in einer Landschaft die Páramo genannt wird. Der Boden ist feucht, manchmal sumpfig, es wachsen keine Bäume mehr aber die Sträucher können mehrere Meter hoch werden. Der Nebel wabbert umher und bald nimmt er uns vollkommen die Sicht. Die anderen Freiwilligen, in diesem Fall vorallem Linda aus Island und Karoliina aus Finnland erzählen von nordischen Geschichten, die sehr gut ins Bild passen und so wird der Bus, optisch durch den Nebel von der Aussenwelt abgeschottet, zu einer Märchenstube in der die Fantasie schnell die Oberhand gewinnen kann. Die Gegend ist mystisch und hier soll der sagenumwobene Andenbär leben. Der Fahrer ist natürlich vom Nebel unbeeindruckt und treibt den Bus mit unverändertem Tempo weiter in Richtung Himmel.
An dieser Stelle möchte ich gerne ein paar Worte über ecuatorianische Busfahrer verlieren... .Bestimmt müssen sie offiziell einige Auflagen erfüllen - Busfahrer ist schliesslich ein sehr verantwortungsvoller Beruf - aber ich denke in der Praxis ist das nicht immer der Fall. Heute hatte ich einen Busfahrer (in meinem Vorort, bei längeren Fahrten hab ich sowas noch nicht gesehen) der aussah wie 15. Es wird generell gerne mit Bussen überholt. Am liebsten an nicht einsehbaren Stellen in den Bergen, bei Hügelkuppen und in Kurven. Meistens sind die Strassen in jeder Richtung einspurig, so das der Bus dann für etwa eine halbe Minute die Gegenfahrbahn blockiert. Falls dann ein Auto entgegenkommt ist das für den Bus natürlich kein Problem, er macht in der Mitte eine neue Spur auf und hat so garantiert Asphalt unter den Rädern. Das überholte Auto und der Gegenverkehr haben gegebenenfalls Pech und müssen teils die Strasse verlassen. Auch dichter Nebel - wie nahe Papallacta - oder dunkelste Nacht ohne Strassenlampen - wie bei der Fahrt nach Baños - stellen weder ein Problem, noch ein Grund zum langsamfahren, dar...
Als wir schliesslich bei Papallacta den Nebel wieder durchbrechen, aus der isländisch-finnischen Märchenwelt in die reale zurückkehren und den Bus verlassen hat sich die Szenerie erneut gewandelt. Statt Páramo gibt es wieder bewaldete Hänge und eine im extrem feuten Klima vor sich hindampfende Strasse.
Von den heissen Bädern an sich konnte ich leider keine Bilder machen, ich war in Badehose und modischer Schwimmkappe (in Ecuador scheinbar obligatorisch) unterwegs und wollte keinen Kameraschaden riskieren.
Allerdings habe ich mir die Bilder die bei Google als Ergebnis für "Papallacta" kommen angesehen und ja da waren wir. Aus 10.000.000 Metern Entfernung kann ich ein bisschen Neid spühren ;) .Das Wasser war zum Teil brutal heiss und ich hatte an dem Tag nur wenig getrunken. Nach kurzer Zeit im heissesten aller Becken bekam ich scheinbar ernsthaft Dehydrierungsprobleme und fühlte mich wie stark betrunken. Wankend rette ich mich aus dem besagten Becken, in dem man auf einer Art Steinliegen liegt und von unten beblubbert wird. Mit nicht ganz klarem Blick erspähe ich das kalte Becken und wate hinein. Auf Grund meines benebelten Zustands bemerke ich erst nicht wie sehr dieses Becken seinen Namen verdient hat. Ein paar Sekunden später scheint ein Herzinfarkt kurz bevorzustehen. Alle Benommenheit ist schlagartig vertrieben und es fühlt sich an als würden tausend Nadeln zentimetertief in meinen Gliedern stecken.
Danach halte ich mich sowohl bei dem heissesten, als auch dem kalten Becken zurück und geniesse die restliche Zeit. Mehr erwähnenswertes gibt es aus Papallacta nicht zu berichten und so werde ich mit Sonntag und dem Mitad del Mundo weitermachen.
Wie ich glaube ich schon in einem vorigen Blogeintrag erwähnt hatte kann man von unserem Dach aus den Äquator sehen. Allerdings nicht das berühmte Denkmal, welches ihn ziehrt. Mit dem Bus (diesmal bin ich schlau genug nicht nach Quitumbe zu fahren, der Äquator ligt etwa 4 Kilometer nördlich der Stadtgrenzen Quitos) brauche ich etwa 30 Minuten wobei Umsteigen und Wartezeit inklusive sind. Man nimmt den kleinen gemütlichen Pomasquibus bis der plötzlich anhält. Alle steigen aus und laufen die Strasse runter um die kleine Kurve, die vor uns liegt. Ich habe mir den Weg von meinem Gastvater beschreiben lassen, habe aber nicht alles verstanden und bin der Meinung es ist das schlauste den anderen Busbenutzern in diese Richtung zu folgen. Hinter der Kurve kommt dann der Grund für das Anhalten und schliesslich das Umkehren des Pomasqui Busses zum Vorschein. Eine kleine, einsturzgefährdete Brücke führt über eine ebenfalls kleine Schlucht mit einem kleinen Fluss, der sich seinen Weg in Richtung "Mitte der Welt" bahnt. Die Brücke ist für alle motorisierten Gefährte gesperrt. Die Fussgänger dürfen passieren.
Nach einem weiternen Bus und kurzer Zeit gelange ich dann zum Mitad del Mundo und treffe auf die anderen Freiwilligen, mit denen ich mich verabredet hatte. Wir gehen rein, schauen alles an und machen ein paar typische Touristenfotos (folgen im nächsten Blogeintrag, der fast ausschliesslich aus Bildern bestehen wird und vielleicht schon Morgen kommt). Das einzig wirklich interessante an diesem Ort ist, dass er ein Fake ist. Die Linie die den Äquator markieren soll liegt einige hundert Meter vom eigentlichen Äquator entfernt.
Wer ist Schuld? Zum einen die Franzosen, die im 18.Jh hierher kamen um zu vermessen ob der Erdumfang am Äquator grösser ist als über die Pole gemessen. Wie zu erwarten war haben die Franzosen es verbockt und den Äquator falsch bestimmt (für damalige Verhältnisse trotzdem ganz gut).
Zum anderen versucht sich der aktuelle Leiter des Mitad del Mundo Parks damit rauszureden, das der Baugrund am eigentlichen Äquator nicht für ein solchen Monument geeignet wäre. So richtig abkaufen will ihm das scheinbar keiner und der Äquator durchzieht Ecuador quasi komplet, sodass man halt irgendwo anders aber tatsächlich auf dem Äquator mit Sicherheit geeigneten Baugrund hätte finden können.
Wir sind anschliessend noch zum echten Äquator gegangen und haben irgendeinen bewohnten Vulkankrater besichtigt. Alles in allem eher unspäktakulär und ich kann euch sagen mit einem Fuss auf der Südhalbkugel und mit dem anderen auf der Nordhalbkugel zu stehen ist keine Lebensverändernde Erfahrung. Genug also von den Wochenendsausflügen.
Danach ging es schliesslich mit der Schule weiter. Hier hat sich einiges getan. Mein Stundenplan, der zunächst mit dem von Sportlehrer Uruguayo Heber Perez (seine Herkunft wird immer mitgenannt) identisch war, ist nur sehr individuell geworden. Ich arbeite 30 Unterrichtsstunden die Woche. Mit nur Sport war ich zunächst ganz glücklich aber ich wusste das Azalea, die Schulleiterin, mich lieber im Englischunterricht gesehen hätte. Ich bin natürlich kooperativ aber da sie eine Veränderung wollte hatte ich durch meine Einwilligung auch ein nicht unerhebliches Mitspracherecht. Um ehrlich zu sein konnte ich mir meinen Stundenplan selbst zusammenstellen, solange ich gut die Hälfte englisch einbaute. Ich hab mir für die ersten vier Tage der Woche ein ordentliches Programm auferlegt und arbeite dafür Freitags nur bis 9:45 Uhr. Wenig später kam eine weitere von Azalea erwünschte Änderung hinzu, auf die ich gleich eingehe. Das gab mir wieder etwas mehr "Macht" und die Dinge sind hier nicht wirklich in der richtigen Reihenfolge aber es ist jetzt so, dass ich am Freitag die doppelte Zeit arbeiten kann und dafür einen Freitag freibekomme. Ein ziemlich guter Deal  und extrem nützlich für ausgedehnte Wochenendsausflüge die ich jetzt also schon am Donnerstag Nachmittag beginnen kann. Doch nichts ist umsonst und Azaleas Bitte/Anordnung hat es in sich. Es ist mir eigentlich verboten zu unterrichten (nur Assistenz ist erlaubt), aber auf Grund schlechter Planung und Lehrermangel unterrichte ich jetzt vier mal die Woche zusammen mit Antonia ( eine andere Freiwillige die das auch nicht darf und ebenfalls keine Ahnung hat wie sowas geht) englich in der Inicial II C.
Donnerstags war es dann soweit. Wir stehen beide vor einem Haufen vierjähriger (sie können schon laufen aber kaum spanisch) und sollen diesen Würmern englisch beibringen, ohne das wir spanisch können. Es ist ehrlich gesagt das reinste Himmelfahrtskomando und obendrein scheinbar die erste Englischstunde im Leben dieser armen Schüler. Als wäre das nicht genug kommt der erschwerdende Faktor "Mikel" hinzu. Was Mikel genau hat weiss ich nicht aber es ist wohl irgendeine geistige Behinderung, die es ihn verbietet eine Sprache zu sprechen (Laute kann er von sich geben), aufmerksam zu sein oder die anderen Kinder in Frieden zu lassen. Für Mikel sitzt noch eine andere Lehrerin im Raum, sie kann kein englisch und hat auch keine Ambitionen uns in irgendeiner Weise beim Unterricht zu helfen. Die Stunde beginnt, ich weiss bereits von einem "speziellen" Kind in der Klasse, aber noch nicht das es Mikel ist. Meine erste Tat als Lehrer in Inicial II C ist es Mikel nach seinem Namen zu fragen. Er schaut mich an, verdreht die Augen, streckt mir die Zunge entgegen und schreit als würde er sterben. Dann kricht er unter den Tisch und will sich werder von mir noch von der Mikel-Spezial-Lehrerin hervorziehen lassen. Die anderen Kinder nutzen die Gunst der Stunde und es bricht Anarchie aus. Der Englischunttericht versinkt im Chaos. Der Klassenraum wird zu einem gesetzlosen Raum und Antonia und ich haben noch kein Wort auf englisch hervorgebracht. Später verlässt Mikel in Begleitung seiner Dompteurin den Raum und wir schaffen es das die Kinder im Chor "my name is" sagen. Trotz permanenter Übersetzung der drei Worte ins Spanisch scheinen nur wenige zu begreifen was sie da sagen, denn fast niemand wagt es an dieses Trio fremder Laute seinen eigenen Namen zu hängen. Nach 45 Minuten ist der Wahnsinn vorbei. Ich glaube nicht das die Kinder dumm sind, ich glaube das es eine dumme Idee ist ihnen jetzt schon englisch beibringenzuwollen. Vorallem bei derart unqualifizierten Lehrkräften wie Antonia und mir.
Mein Schultag besteht also in der Regel zunächst aus drei Stunden Sport, dann eine Pause (die einzige des Tages), darauf folgt Inicial II C wovon ich bestimmt bald Albträume haben werde und drei weitere Englischstunden in denen ich Alicia unterstütze. Widererwarten ist der normale Englischunterricht viel entspannter als der Sportunterricht. Es scheint als würden die Kinder all ihre Vernunft, ihre Moral und überhaupt alles was sie menschlich macht zusammen mit ihren Wasserflaschen - nach denen sie dann permanent schreien - im Klassenraum lassen. Die Wesen die dann auf dem Fussballplatz erscheinen sind rein triebgesteuert, wild und in ihren Handlungen unvorhersehbar.        
Wahrscheinlich kann man merken, dass heute ein anstrengender Tag, und ich nicht immer glücklich mit meinen Kindern, war. Allgemein macht die Arbeit aber Spass oder ist zumindest nicht schlimm. Ich habe heute das doppelte meines normalen Freitags gearbeitet, sadass ich den nächsten frei habe und an den Strand fahren werde. Gerade fühle ich mich so als hätte ich das dringend nötig...
Was ich dieses Wochenende mache steht noch in den Sternen aber ihr könnt gewiss im nächsten Blogeintrag davon lesen.
Ich hoffe ich kann gelegentlich etwas fernweh stiften, reisen macht spass, investiert euer Geld lieber in Erlebnisse als in materiellen Besitz - das soll glücklicher machen. Ich erlebe hier sehr viel und ja ich denke ich bin glücklich. In dem Sinne ein aussergewöhnliches Wochenende euch allen.
Der Kinderbändiger Felipe verabschiedet sich.
Chao.    

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