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Sonntag, 21. September 2014

Adios Ecuador



Hier kommt er, der letzte Blogeintrag des Jahres. Ich bin schon wieder in Berlin, habe mir für heute nichts besonderes vorgenommen und schreib mal so was mir zum letzten Monat in Südamerika einfällt.

Quito

Seit Beginn der ecuadorianischen Sommerferien plätscherte die Arbeit im Instituto Suizo so vor sich hin, bis dann endlich der letzte Tag gekommen war. Antonia hatte noch einige Postkarten übrig, die wir für unsere Lieblingslehrer mit den immer gleichen Zeilen füllten. Alle die dann mit so einer Karte verabschiedet wurden, zeigten die angemessene Latino-Emotionalität, die ich nach einem Jahr glaube ich ganz gut einschätzen kann. Abschiede sind schon etwas seltsames und in der Regel wissen die meisten nicht so recht damit umzugehen. Die Europäer gucken betreten zu Boden und die Ecuadorianer wollen garnicht aufhören zu reden und sind den Tränen nahe.

Da Deutschland es tatsächlich ins Finale geschafft hatte, beschloss ich, mir dieses noch mit allen anderen Freiwilligen in Quito anzusehen. Eine tolle Sache so ein WM Titel, auch wenn man ihn von der anderen Seite der Welt sieht. Dann am Montag ging es endlich los.

Mit zwei Rucksäcken bewaffnet ist mein Plan relativ simpel. Ich suche einen Bus der nach Süden fährt und steige ein...
Die erste Etappe heißt Quito-Huaquillas und bringt mich bis an die peruanische Grenze. Huaquillas (Ecuador) und Aguas Verdes (Peru) sind miteinander verwachsen und werden durch ein kleines Rinnsal getrennt, über das eine internationale Grenzbrücke führt. Der Bus hält genau davor und lässt einen Haufen ratloser Reisender zurück, die sofort von zwielichtigen Gestalten eingehüllt werden, die bei den Formalitäten helfen wollen. Ich gehe erstmal auf Toilette und als ich zurück komme sind tatsächlich schon alle weg. Eine einzige "Hilfsperson" sucht noch nach jemandem der die Grenze überqueren will. Meine Auswahlmöglichkeiten sind also sehr begrenzt und so frage ich ihn wie man denn nach Peru migrieren könne. "Alles kein Problem" verspricht er mir und so laufen wir zu Fuß über die Grenze. Die gesamte Migration wird neuerdings auf der peruanischen Seite vollzogen. Nach einer viertelstündigen Fahrt in seinem Auto, während der ich mich schon etwas seltsam fühle, kommen wir tatsächlich bei der Grenzstation an. Mit den zwei Stempeln im Pass fühle ich mich wieder legal und setzte meine Reise fort.

Peru

Es geht nach Tumbes und dann nach Piura. Ich verschlinge die wenigen Zeilen die mein Reiseführer hergibt und beschließe gleich weiterzufahren. Das interessanteste an Nordperu ist wohl, wie sich die Landschaft im Vergleich zu Ecuador ändert. Die küstennahen Landstrich verwandeln sich zusehends in eine Mischung aus Canyons und Wüste.
Ich würde an dieser Stelle gerne ein paar Bilder einfügen doch leider wurde mir die Kamera geklaut und ich habe nur noch sehr wenige Bilder meiner Reise. Damit es für euch Leser trotzdem etwas angenehmer wird werde ich einige Bilder aus dem Internet auswählen, die meinen Erinnerungen am nächsten kommen.

so in etwa sieht es an Nordperus Küste aus


Hier und da wird scheinbar ein bisschen Erdöl gefördert. Die Ölpumpen bewegen sich entweder sehr langsam oder garnicht. Auch der Bus bewegt sich entweder sehr langsam oder garnicht. Ich habe eine kleine Karte von ganz Südamerika dabei auf der die Entfernungen winzig wirken. Ihr Anblick entmutigt mich, ich habe erst ein paar Millimeter auf meiner Zentimeter langen Reise geschafft. Frustriert lege ich die Karte beiseite und vegetiere auf meinem Sitzplatz vor mich hin.

Die folgenden Stationen heißen Piura, Trujillo und Chimbote. Mal ist es Tag, mal ist es Nacht. Ab und zu bekomme ich ein Auge zu im Bus. Ich bin mir nicht sicher ob ich ein, zwei oder vielleicht schon drei Tage unterwegs bin. In Chimbote endlich die Erlösung. Ich finde einen Bus der nach Huaraz fährt, meinem ersten echten Ziel in Peru. Der Bus rollt Richtung Osten und erreicht bald die ersten Ausläufer der Cordillera Negra.

erste Hügel in der Wüste


Aus dem Wüstensand erheben sich erst einzelne Hügel, dann Berge und schließlich eine zusammenhängende Gebirgskette, die zwar bis knapp über 5000m hoch, aber dennoch komplett schneefrei, ist. Grund dafür ist die Cordillera Blanca weiter östlich, die keinen Niederschlag zur Cordillera Negra durchlässt.

Cordillera Negra, im Hintergrund die Cordillera Blanca


Ohne Schnee und Eis sehen auch 5000er eher langweilig aus und so warte ich gespannt auf den Moment, in dem man zum ersten Mal die Gipfel der Cordillera Blanca erspähen kann. Die Gebirgszüge liegen parallel aneinander und werden durch das Callejón de Huaylas, in dem auch Huaraz liegt, getrennt. Dann kommt der mit Spannung erwartete Augenblick. Können die Berge den Beschreibungen des Reiseführers gerecht werden? JA JA JA! Superriesenberge. Seit dem losfahren das erste echte Glücksgefühl. Ich komme in Huaraz an und suche mir ein Hotel in zentraler Lage. Duschen und Zähneputzen, dann etwas essen. Als nächstes gehe ich dann in ein Internetcafé, um bescheidzugeben, dass ich noch lebe, und einfach weil es meinen westlichen Gewohnheiten entspricht, mit der Welt in Verbindung sein zu wollen.

Panorama der C.B.


Huaraz

Ich betrete das Café und treffe plötzlich auf Heinrich. Kann nicht sein! Aber doch, tatsächlich. Heinrich, ebenfalls Freiwilliger in Ecuador, hat gerade Halbzeitsferien und will im gleichen Internetcafé in Huaraz Kontakt zur Welt aufnehmen wie ich. Ein dolles Ding finden wir beide und planen den nächsten Tag gemeinsam.

Nach einer Nacht in einem Bett fühle ich mich wie neugeboren und bin bereit um 6 Uhr morgens in eisiger Kälte auf meine Abholung vorm Hotel zu warten. Es steht die Wanderung zur Laguna 69 an, auf die sich Heinrich und ich am Vortag geeinigt hatten. Nach vielleicht einstündiger Busfahrt beginnt das Gelatsche. Von 3900 auf 4600 Meter; etwa 12km weit und 8 Stunden lang. Die Landschaft ist unfassbar schön und fast schon etwas kitschig. Es würde einen kaum wundern Heidi, dem Ziegenpeter oder dem Alpöhi über den Weg zu laufen. Ein bisschen anstrengend ist die Sache zwar auch, aber die Natur entschädigt für alle Mühen. Die Laguna 69 liegt am Fuße des Chacraraju, dessen Südwand direkt von Lagunenufer aus über 1,5km beinahe senkrecht nach oben ragt. Je nach dem wie das Licht aufs Wasser fällt erscheint der See mal tief blau und mal türkis, immer jedoch absolut sehenswert! 

Das Tal, dass in die C.B. führt. Rechts die Südflanke des Huandoy (6360m)

Die Laguna 69 auf 4600m am Fuße des Chacraraju (6108m)


Begeistert von den Eindrücken des Tages beschließen Heinrich und ich noch etwas mehr wandern zu gehen. Die Wahl ist eine relativ leichte und fällt auf den Santa Cruz Trek. 4 Tage und 3 Nächte soll der Spaß dauern und einem in kurzer Zeit vieles von dem zeigen, was die Cordillera Blanca zu bieten hat. Jetzt sollten sich die Skijacke und Carl´s Wanderstiefel, die zusammen gut die Hälfte meines Rucksacks füllen, auszahlen...

Santa-Cruz-Trek


Wir sind Teil einer Gruppe von 12 Touristen, einem Guide, einem Koch, einem Eseltreiber und (ich glaube) 6 Eseln. Diese dürfen Verpflegung, Zelte und sonstiges Gepäck schleppen, während wir mit kleinen Rucksäcken und leichtem Gepäck laufen. Das "Personal" ist ausschließlich peruanisch und kommen aus der Region. Schon die Hochlandbewohner Ecuadors sind relativ kleine Menschen, aber die Bewohner der Cordillera Blanca sind wohl die im Durchschnitt kleinsten Leute, die ich je gesehen habe. Margarita, unser Guide, misst wohl kaum 1,40m. Was ihr an Körpergröße fehlt macht sie durch ihre sympathische Art wieder wett. Sie erzählt viel über die Berge, die Routen und zeigt uns allerhand Pflanzen und erklärt deren traditionelle Verwendung.

Der Rest der Gruppe ist erwartungsgemäß international. Brian aus Britain, Martin und Thomas (mehr oder weniger) aus der Schweiz, Gustavo aus Ecuador, Barbara aus Slowenien, 5 Franzosen und die zweiköpfige deutsche Delegation.

typisches "Wandertal"


Der erste Wandertag wird dann fast ausschließlich im Bus verbracht. Nach ewiger Anfahrt erreichen wir unseren Startpunkt nahe Colcabamba und legen los. Das Terrain ist unanspruchsvoll (so wird es auch bleiben) und gibt einem die Gelegenheit ein bisschen zu quatschen. Die Gruppe ist mir sehr sympathisch und ich bin soweit recht angetan vom ersten Tag. Zum Ende hin gibt es auch die ersten netten Aussichten, wie zum Beispiel auf den Taulliraju, in dessen Sichtweite wir unser erstes Camp aufschlagen (lassen, unser Team baut für uns die Zelte auf, kocht und be-und entläd die Esel; die Gringos sollen sich erholen). Wir haben ein Dreierzelt und holen uns Brian mit ins Boot. Viel hilft das leider nicht. Das Zelt in Verbindung mit teil löchrigen Isomatten und Schlafsäcken ist den -8 Grad nicht ganz gewachsen, ich friere wie ein Nacktmull in der Arktis und finde kaum Schlaf.

Optimale Voraussetzungen für Tag 2, den mit Abstand härtesten des Treks. Margarita fragt ob wir für den "Kampf" bereit wären. Eigentlich haut sie nicht so auf den Putz und uns graust es schon vor dem was da kommt. Die Überquerung des Punta Union Passes. Gut 1000m hoch bis auf 4750 und dann alles auf der anderen Seite wieder runter. 

Ein Lastesel am Punta Union Pass


Der Weg ist wirklich gut und einen neuen persönlichen Höhenrekord werde ich auch nicht aufstellen. Alles in allem ist der Punta Union Pass doch keine so große körperliche Herausforderung. Einzig die Finger leiden ohne Handschuhe etwas und der permanente Nebel drückt die Stimmung. Als Mittagessen haben wir einen Schokoriegel, Kekse und eine Orange mitbekommen. Letztere will ich mir zur Feier der Passüberschreitung einverleiben, was Dank tauber, steifer Finger etwas ausartet. Pellen klappt nicht und ich bin mit meiner Geduld bald am Ende. Ich konzentriere mich auf das Obst in meiner Rechten und in einem Anflug ungeahnter Feinmotorik gelingt es mir, mit meiner starren Linken die fast gefrorene Frucht zu durchboren. Der Sieg ist mein und mindestens 80 Prozent der Orange finden den Weg in meinen Magen. Der Rest landet auf und in meiner Jacke, meiner Hose, Meinen Schuhen, meinem Gesicht oder bleibt an meinen Händen kleben. Ich erzähle euch das, damit ihr ein bisschen entromantisiert werdet. Es ist so kalt, dass sich niemand mehr als das Gesicht waschen wird, unter der Kleidung und beim laufen aber so warm, dass alle schwitzen wie man es vielleicht von Reiner Calmund bei einem Sahara-Marathon erwarten würde. Kleidung wird auch nicht gewechselt und Teile der Orange werden mich bis nach Deutschland begleiten. Ergo wir alle riechen mit der Zeit etwas.

Punta Union Pass, eine von zahllosen Lagunen


Der zum Gringo-Schreck dramatisierte Pass ist schnell überwunden. So schnell, dass Margarita nach Ankunft am 2. Übernachtungsort noch eine Option für die Ambitionierten der Gruppe in Petto hat. Wer sich fit genug fühlt, der könne noch einen Ausflug zum nah gelegenen Basecamp des Alpamayo machen. Jippi. Ich hatte mich zuvor schon ein bisschen über den Trek schlau gemacht und gelesen, dass einige Anbieter das Alpamayo Basecamp ab und an auf der Agenda haben. Zudem ist der Nebel des Morgens verzogen und die leider ziemlich dichte Wolkendecke scheint recht hoch zu hängen.

Die Cordillera Blanca bietet extrem viele schöne und spektakuläre Berge. Auch jetzt in Deutschland kommt es vor, dass ich aus Langeweile einzelne Berge oder das ganze Gebirge google und mir dann die Bilder ansehe. Die Fotos im Internet vermischen sich mit meinen Erinnerungen und schwupps sitze ich ein Stündchen vor meinem Rechner und befinde mich mental in einem fantastischen Naturwunderland. Einer meiner Lieblingsberge ist der Alpamayo, der immer wieder mal zum schönsten Berg der Welt gekürt wird.

Der Alpamayo, ein Berg wie weiße Toblerone


Wir (die Franzosen und Barbara sparen sich den Trip) stapfen also los. Das Wetter will doch nicht mitspielen und es beginnt zu nieseln. Schlimmer als das, die Sicht ist gelinde gesagt bescheiden. Das Tal, dem der Trek eigentlich folgt wird hier von einem anderen gekreuzt. An dessen rechtem Ende befindet sich der Alpamayo, am linken der Artesonraju (der Berg aus dem Paramount Pictures Logo). Ein ziemlich herrliches Panorama, dass ich bisher bei Google nicht finden konnte. Wir gehen also nach rechts zum Alpamayo. Das Basecamp ist bald erreicht doch langsam macht sich die Punta Union Überquerung dann doch spürbar. Ich bin ganz froh, dass wir angekommen sind. Margarita ist das aber noch nicht genug. Bis hierher ging es so gut und flott, da könne man gleich noch ein bisschen weiter oder? Leider besteht unser Expeditionsteam ausschließlich aus jungen Göttern, die einen Ironman als warm-up laufen. Keiner will zugeben, dass er nicht mehr kann. Wir quälen uns hoch zu irgendeiner weiteren Lagune. Identisch mit den 500 Lagunen die wir bereits gesehen haben. Es geht gefühlt mehr als senkrecht nach oben. Endlich ist es geschafft. Und die Lagune ist dann doch etwas besonderes. Ein Gletscher fließt in sie hinein und einige kleine Eisberge treiben herum. Ich habe mir meinen Schokoriegel von der Mittagsration aufgehoben. Außerdem hat Barbara uns einen Snickers mit aus den Weg gegeben, den wir nun brüderlich 6teln. Hunger ist der beste Koch und ein Snickers wahrer Götterfraß wenn man kurz vorm verhungern ist.


Der Artesonraju (6025m)


Wir steigen wieder hinab zum Basecamp wo uns auf seltsame Art und Weise eines der bedeutensten Charakteristika unserer westlichen Kultur vorgehalten wird. Der Konsum von Bier!
Zwei Tagesmärsche fern des nächsten Dorfes, im höchsten Gebirge außerhalb Asiens, rotten sich Europäer und Nordamerikaner zusammen um auf einen Berg zu steigen. Ihre Ausrüstung ist exquisit. Jedes Gramm wird gespart. Man gibt acht sich richtig zu Ernähren. Man muss genügend essen. Man muss effizient und durchdacht arbeiten um es zum Gipfel zu schaffen. Die Männer sind angespannt, denn man kann nicht jedes Risiko ausschließen. Schon viele sind hier gestorben...
Und dann schicken sie ein paar Peruaner los um ihnen Bier zu holen. Kistenweise wird es von Eseln bis zum Basecamp geschleppt. Den zukünftigen vielleicht Gipfelstürmern sind alle guten Vorsätze egal und sie heben erstmal eins. Sinn macht das nicht aber auch wir greifen zu. Die kleine Tienda am Basecamp verkauft nur das nötigste, und halt Bier. Als wir ankommen ist der Vorrat fast erschöpft. "Darum ist es gerade besonders billig" drängt uns die Frau zum Kauf. Wir sind zu platt um uns über die Gesetzte dieser Freien-Latino-Marktwirtschaft lustig zu machen und kaufen ein paar Dosen, die wir in unserem Camp trinken wollen. Auf dem Rückweg kommt uns tatsächlich noch ein Bieresel mit neuen Kästen entgegen.

Huascaran Norte (links) und Sur (6768m), die höchsten Berge der Tropen


Im Camp angekommen bin ich tatsächlich richtig erschöpft. Wir haben den ganzen Tag kaum gegessen (Orange, Schokoriegel und ein Frühstücksbrötchen), sind über 10 Stunden auf einer durchschnittlichen Höhe von wohl etwas über 4000m gelaufen und haben auch vertikal Kilometer gefressen und dabei hab ich das trinken ganz vergessen. Ziiisch, 500ml Hopfenbrause in den leeren ausgetrockneten Magen, 5 Volumenprozent Alkohol direkt in den Kopf. Hui. Ich habe aus der letzten Nacht gelernt und ziehe mir 4 T-Shirts, einen Pulli, eine Jacke und meine Skijacke an. Ab in den Schlafsack. So ists besser.

Die letzten zwei Tage des Treks geht es hauptsächlich bergab. Ich bekomme kleinere Blasen aber ohne Carls Wanderschuhe wäre ich wohl nicht so leicht hier durch gekommen (danke Carlito). Am Abend des dritten Tages haben wir noch etwas Zeit und so bastelt Thomas aus einem T-Shirt, Müllsäcken und Duct-Tape einen recht ansehnlichen Fußball. In Wanderstiefeln und Skijacke spielen wir mit unserem Eseltreiber eine Partie auf einem Feld voller Eselscheiße. Herrlich.
Die Sonne geht unter und taucht die umliegenden Berge in ein kitschiges Hollywood-Sonnenuntergangsrot. Ach wie schön. Am nächsten Tag verlassen wir die Berge der Cordillera Blanca und machen uns auf den Weg zurück nach Huaraz.

Während der Zeit in den Bergen haben wir alle unsere Reisepläne verglichen und es hat sich herausgestellt, dass Martin, Thomas, Heinrich und ich alle nach Lima wollen. Aus unterschiedlichen Gründen fahren wir zu unterschiedlichen Zeiten in drei unterschiedlichen Bussen nach Lima um uns dort wiederzutreffen.

Die Fahrt im Nachtbus gestaltet sich für den einen erholsamer als für den anderen (Heinrich ich hoffe du liest das und kannst darüber schmunzeln :P ) doch nach einer Nacht im Hotel (während der ganzen Reise erst die dritte) sind alle fit und bereit für Lima, diese 10 Millionen Stadt, an der mein Reiseführer kaum ein gutes Haar lässt. Doch eigentlich trennen sich unsere Wege dann ziemlich schnell in Lima. Mein ursprünglicher Plan alleine zu reisen kann trotzdem nicht in die Tat umgesetzt werden, denn ich habe mich mit Theresa verabredet.

Lima

Theresa ist der wenigen Freiwilligen die ich in Peru kenne und hat den größten Teil ihres Dienstes in Lima abgeleistet. Daher kennt sie einige Ecken dieser riesigen Stadt und spielt für mich Touristenführerin.

Lima


Zum Beispiel besichtigen wir (wie könnte es anders sein in Lateinamerika?) eine Kirche. Wie alle Kirchen hier, ist sie aus irgendeinem Grund historisch besonders bedeutsam. Dieser ist mir zwar wieder entfallen, in Erinnerung geblieben ist hingegen eine wirklich beeindruckende Bibliothek im inneren der Kirche, sowie eine ungewollt komische Führung. Wir geraten in die Hände eines "Englisch sprachigen" Führers, der jedem Satz ein "ohhh" folgen lässt. Auf Spanisch hätten wir sicher mehr über das Gotteshaus erfahren, aber bei weitem nicht so viel Spaß gehabt. So berichtet er uns etwa, wie vor Jahrhunderten "Freier" im Keller des Gebäudes mit den Überresten von 30.000 Christen gelebt haben, "ohhh". Die gesamte Touristengruppe ist erstaunt, verwirrt oder belustigt.

Plaza de Armas, Lima


Abgesehen von einem netten und recht kleinen historischem Zentrum hat Lima ein authentisches Chinatown zu bieten. Authentisch weil hier wirklich quasi nur Peruaner chinesischen Ursprungs zu finden sind, die auch wirklich chinesisch sprechen. Das essen ist großartig und auch sonst in Peru tatsächlich überall 2 Klassen besser als in Ecuador.

Limas Steilküste im obligatorischen Nebel


Sonst kann ich nicht besonders viel über Lima berichten. Es ist die zweitgrößte Wüstenstadt der Welt (mit gut 8mio. offiziellen und vielleicht 2mio. inoffiziellen Einwohnern; nur Kairo ist größer) und ja, Lima liegt tatsächlich in einer Wüste. Eine trockene steppenartige und meiner Meinung nach hässliche Wüste. Sie hat nichts von der "Anmut" großer Sandwüsten wie man sie aus dem Fernsehn kennt. Das Wetter in Lima ist dann aber doch anders als man es von einer Wüstenstadt erwarten würde. Es ist nämlich relativ feucht. Na nu? Grund ist ein Nebel, der sich täglich vom Meer in die Stadt drückt und auch über die umliegende Wüste wabbert. Die Sonne bekommt man quasi nie zu sehen (recht deprimierend). Bei meinen ausgedehnten Busfahrten durch die peruanische Küstenwüste habe ich oft gesehen wie der Nebel einige Meter über dem Boden schwebt, diesen aber nicht berührt. So ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch, der Boden aber trocken. Es gibt auch keine Vegetation, an der der Nebel hängenbleiben könnte.

Gemeinsam mit Theresa, die auch ihre Abschlussferien hat, fahre ich danach gen Süden. Ziel ist ein Ort namens Huacachina. Dieser liegt rund 5km von Ica, der Provinzhauptstadt entfernt. 2007 wurde die Region von einem Erdbeben der Stärke 8,0 schwer getroffen. Noch immer sieht man teilweise oder ganz zerstörte Häuser. Touristisch Beliebt ist sie, weil sich die sonst so unansehnliche Wüste hier in eine Postkartenwüste verwandelt.

Huacachina

Umgeben von Dünen, die sich über 100m hoch auftürmen, liegt die Oase Huacachina, die es zu solchem Ruhm gebracht hat, dass sie sogar auf der Rückseite des 50 Soles-Schein verewigt ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass das ohne Menschen ein wahrhaft schöner Ort wäre. Leider nehmen die Massen an Touristen diesem kleinen Fleckchen Erde seinen Charme. Natürlich bin ich genauso Tourist wie die anderen Gringos hier und so in gleichem Maße Schuld an der blöden Atmosphäre. In Huacachina leben gut 200 Menschen. Sie betreiben Hostels, bieten Touren in die Dünen an oder verkaufen irgendeinen Schnick Schnack den sich die Urlauber so gerne andrehen lassen. Dabei scheinen sie sich einiges von den Touris abgeguckt zu haben. So zum Beispiel eine erzkapitalistische Barschheit, die ich so noch nicht zuvor in Südamerika erlebt habe.

Oase Huacachina, im Hintergrund Ica


Da wir aber nun schonmal hier sind beschließen Theresa und ich dann doch das obligatorische Sandboarding zu machen. Dazu gibt es noch eine Fahrt in einem Wüstenbuggy. Das mit dem Sandboarding ist irgendwie nicht so der der Hammer. Die Reibung zwischen Board und Sand scheint mir zu hoch zu sein. Auf Geschwindigkeit kann man nur kommen, wenn man die Falllienie des Hangs gerade hinunterfährt. Gerade=Langweilig. Wenn man mal einen Moment inne hält, dann hört man zwangläufig das Knattern eines der vielen Buggies, oder noch schlimmer, das Geschrei von Gringos, die so tun, als hätten sie Spaß.

Einen Anflug der Ruhe gibt es dann doch am Ende des Ausflugs. Alle sitzen auf einer Düne und sind ziemlich fertig (mit den Nerven). Darum kehrt ein bisschen Stille ein, nicht nur bei unserer Gruppe, sondern auch allgemein. Wir gucken zu wie die Sonne zwischen den Sandbergen versinkt und sind angetan von der Friedlichkeit des Moments. Die Entspannung währt leider nur kurz. Stress macht jetzt mein Körper. Natürlich wusste ich auch zuvor, dass es in Wüsten nachts kalt werden kann. Ich wusste nur nicht, dass unser Ausflug solange dauert. In kurzer Hose und T-Shirt fange ich an mächtig zu frieren. Zum Glück gehts bald ins Hostel.

Wüstenbuggy für etwa 10 Personen


Nach Huacachina trennen sich auch die Wege von Theresa und mir und ich bin tatsächlich mal wieder allein unterwegs. Bald werden die Fiestas de Peru beginnen und wurde von großem Chaos während dieser Zeit berichtet. Preise sollen explodieren und die Fernbusse nicht fahren. Eigentlich wollte ich nach Arequipa. Auf Grund der Umstände beschließe ich aber nach Puno zu reisen und von dort das Land fluchtartig in Richtung Bolivien zu verlassen.

Der Bus den ich gewählt habe fährt dann über Arequipa nach Puno. Zeit die Stadt anzugucken bekomme ich aber keine. Es geht gleich weiter nach Puno, das auf 3810m Höhe am Ufer des Titicacasees liegt.

Puno, Lago Titicaca


Titicacasee


Der Titicacasee wird gerne als Naturwunder gehypt und als majestätisch schön beschrieben. So richtig einleuchten wollte mir das auch nach meiner Ankunft in Puno nicht. Im Grunde ist es einfach nur ein See. Ziemlich groß, ziemlich hoch gelegen; Wasser drin und Land drum herum. Ich bin ein wenig ernüchtert obwohl ich mir nichts anderes vorgestellt hatte.

Außerdem ist es knackig kalt. Ende Juli (tiefster Südhalbkugel-Winter) auf 3812 Metern. Der See liegt zudem am Nordrand des Altiplano, einer riesigen Hochebene zwischen Peru und Bolivien. Bäume gibt es hier keine mehr und es weht ein Wind der einem die Tränen in die Augen treiben kann.
Ich sehe zu, dass ich ein Hostel bekomme und verkriche mich dort für den Rest des Tages.

Am nächsten Morgen mache ich mich mit der Hoffnung, vielleicht doch etwas Interessantes zu finden, zum Ufer auf. Der Rand ist gefroren. Sonst sieht der See immernoch aus wie zuvor. Mein Reiseführer sagt mir, dass Spannendste was man in Puno machen könne, ist eine Besichtigung der Yavari, dem ältesten Schiff des Sees. Auf Grund der beschränkten Optionen ist die Wahl für mein Nachmittagsprogramm also eine leichte.

Die alt-ehrwürdige Yavari


Die MS Yavari wurde 1860 von der peruanischen Marine bei einer englischen Werft bestellt. So wie ich das mitbekommen habe führten Peru und Bolivien nämlich seit jeher Krieg miteinander (sofern denn beide Parteinen zeitgleich eine Armee aufweisen konnten). Um 1860 hatte Peru eine sehr kleine Armee und Bolivien praktisch garkeine. Eine Seeschlacht auf dem Titicacasee galt auch als sehr unwahrscheinlich, da kein Land über eine Flotte auf dem See verfügte. Doch genau das wollte die peruanische Marine nun ändern. Die Schiffe (die Yavari hat ein Schwesterschiff) werden also in England gebaut, fahren um Kap Hoorn herum und legen in Arica (heute Chile, damals Peru) an. Dort werden sie auseinander gebaut und auf Maultieren in 2766 Teilen pro Schiff über die Anden nach Puno geschleppt. Die Aktion dauert schlappe sechs Jahre. Beim wieder zusammenbauen fällt dann auf, dass die Kanonen vergessen wurden. Darum wurden die Schiffe nur für zivile Zwecke genutzt. Die Yavari ist heute ein Museum, ihr Schwesterschiff gammelt unbenutzt vor sich hin. Der Museumsangestellt erzählt diese Geschichte von leidenschaftlicher Planlosigkeit mit solchem Enthusiasmus, dass der Moment kaum südamerikanischer sein könnte.

Für den nächsten Tag kaufe ich mir ein Ticket nach La Paz. Für meine weitere Zeit im Altiplano ein Paar Handschuhe.

Der Bus hat dreieinhalb Stunden Verspätung. Für das französische Paar, dass mit mir wartet scheint das die schlimmste Zeit ihres Lebens zu sein. Mich juckt es nicht mehr... Die Straße schlängelt sich am Ufer entlang. Zur einen Seite das tiefe Blau, zur anderen schier endlose Einöde. In dieser Umgebung wirkt der See dann doch ein bisschen besonders.

hübsch

Bolivien




Nach nur wenigen Stunden erreichen wir den Grenzübergang Desaguadero. Er liegt direkt am See und wie Peru und Ecuador sind auch Peru und Bolivien hier durch ein Rinnsal getrennt. Es ist alles ein bisschen fummelig. Die Grenzbeamten verweisen einen mit provokanter Ruhe immer an den anderen Grenzposten. Ich renne bestimmte dreimal hin und her auf der Suche nach Formularen, Stempeln und Beamten. Andere müssen noch viel öfter. Bis alle Businsassen die Prozedur geschafft haben sind locker drei Stunden vergangen und die Sonne geht unter. Bolivien, dass sagenhafte gelobte Land der Backpacker, billig kaum touristisch und gut für so einige Abenteuer. Am anderen Ufer des Sees leuchten die Gletscher von Illampu und Ancohuma im rötlichen Abendlicht. Der See glitzert und schon jetzt kann man einen Haufen Sterne sehen. Ein weiterer super kitschiger Moment. Am Fernseher würde ich jetzt vielleicht umschalten, in Wirklichkeit klebe ich förmlich am Busfenster um nichts zu verpassen.

Titicacasee mit bolivianischen Anden im Hintergrund


Es wird schnell düster und wir fahren durch den gespenstisch leeren Altiplano. Es gibt hier so gut wie nichts. Keine Bäume, keine Seen oder Flüsse und beinahe keine Menschen. Die wenigen die es hier aushalten, machen den Altiplano zu einem der höchsten besiedelten Gebiete der Welt. Hier und da sieht man ein Feuer in der Ferne. Es gibt keine Wolken und kein elektrisches Licht, dass den Blick auf die Sterne erschweren würde. Tatsächlich ist diese Region (neben de Atacamawüste) ein Hotspot für Astrologen. Der Mond scheint hell wie eine Taschenlampe und ich könnte meinen Reiseführer auch mitten in der Nacht lesen wenn ich wollte.

Nach einiger dann doch Lichter am Horizont. Wir erreichen El Alto, den "Vorort" von La Paz, in dem mehr Menschen leben als in der Stadt an sich. El Alto liegt auf bis zu 4200m Höhe und ist damit die höchstgelegene Stadt der Welt. Es ist mit La Paz zusammengewachsen, dass seinen tiefsten Punkt auf gut 3150m hat. Der Höhenunterschied beträgt also einen Kilometer innerhalb ein und der selben Stadt. Wenn man nachts von El Alto nach La Paz fährt, dann fällt man quasi in ein leuchtendes Loch hinein. Der ganze Bus gerät in Extase bei diesem unfassbaren Anblick.

La Paz und Illimani (6439m), ein Bild aus dem tiefergelegenen La Paz. Ein Bild mit Blick von El Alto nach La Paz konnte ich nicht finden.


La Paz


Der Bus fährt bis zum, von Gustav Eifel konstruierten, zentralen Busbahnhof. Schon das macht mir die Stadt sympathisch. Ein zentraler Busbahnhof ist eine feine Sache. In Peru ist wohl niemand auf die Idee gekommen, die Busunternehmen an einem Ort zu sammeln. Die Companias machen ihr Büro da auf wo es ihnen am besten passt und sind in den entlegensten Winkeln peruanischer Städte zu finden, bzw. zu suchen.
Ich suche mir hingegen erstmal ein Taxi und frage wie viele Soles die Fahrt in ein billiges Hostal in der Nähe kostet. Der Taxifahrer sieht aus als wäre er 130 und wirft mir einen musternden Blick zu. Ich habe mich offenbar als Idiot geautet. Garkeine Soles. Das Land heiße Bolivien, die Währung Bolivianos und man sei Peru um eine Stunde voraus. Ups.

La Paz' Busbahnhof, vor dem normaler Weise ein Rudel Taxifahrer um Kundschaft buhlt.


In den folgenden Tagen habe ich Zeit die Stadt zu erkunden. Mir fällt auf, dass ich die Bolivianer sehr angenehm finde. Selbst die etwas schroffe Art des Taxifahrers war sympathisch und irgendwie lustig. Sonst kamen mir die Bolivianer sehr ruhig, ehrlich und fast schon ein bisschen demütig vor. Auch La Paz ist mir in bester Erinnerung geblieben. Es geht permanent berg auf und ab durch wuselige kleine Gassen mit Kopfsteinplaster. Obwohl in der Metropolregion über 1,5 mio. Menschen leben gibt es eigentlich nur eine echte Hauptstraße, den Prado. Die Orientierung fällt dadurch sehr leicht. Man startet am Prado, merkt sich in welcher Richtung man ihn hinter sich gelassen hat, dreht um wenn man genug hat und kommt irgendwann wieder zum Prado; schon weiß man wo man ist. Außerdem hat La Paz noch eine weitere Attraktion zu bieten. Die Busse haben es nämlich schwer in den engen Gassen und für eine U-Bahn ist es viel zu bergig. Die alternative lautet Seilbahn. Im Stile einer U- oder S-Bahn wird in La Paz ein Seilbahnnetz für den öffentlichen Personen Nahverkehr errichtet. Eine Linie steht bereits. Sie führt vom nord-westen hinauf nach El Alto und garantiert einen großartigen Blick auf die Stadt.

El Teleferico


Auch wenn man durch die Straßen schlendert kann man ab und zu den 6439m hohen Illimani sehen. Überhaupt ist die Landschaft um La Paz ziemlich sehenswert und ermöglicht einige abenteurliche Aktivitäten. Die mit Abstand beliebteste ist wohl Mountainbiking auf dem Camino de la Muerte. Die Vorstellung Teil einer Horde adrenalinwütiger Gringos zu sein, die sich nach einer Fahrradfahrt daran erfreuen noch am Leben zu sein behagt mir zwar nicht so recht, der Verlockung des Camino de la Muerte kann ich trotzdem nicht widerstehen.

Camino de la Muerte


 
Ein Teil der alten Yungas-Straße
Ich suche mir den teuersten Anbieter aus und fühle mich gut ausgestattet. Wir fahren in einem kleinen Minibus hinauf zum La Cumbre Pass auf 4650m. Von dort fahren wir ein Stück auf der neuen, asphaltierten Straße hinab, bevor wir auf die eigentliche Yungas-Straße wechseln (so der offizielle Name). Als es die neue Straße noch nicht gar sind hier pro Jahr gut 300 Menschen gestorben. Heute sind neben den Bikern nur noch wenige auf der alten Schotterpiste unterwegs. Todesfälle gibt es jetzt eigentlich nur noch durch übermutige Radfahrer. Auch an meinem Tag ist jemand über eine Klippe gestürzt. Er wurde schwer verletzt nach La Paz gebracht, wurde uns nach unserer Fahrt erzählt. Dabei hat er offensichtlich großes Glück gehabt, einige Abhänge sind bis zu 600m hoch...

mein Grüppchen


Insgesamt ist die Strecke etwa 65km lang und führt über 3200m bergab, durch alle Klimazonen, die Bolivien zu bieten hat. Das Highlight ist natürlich der berüchtigte alte Abschnitt der den Großteil der Mountainbikefahrt ausmacht. Unser Guide ermahnt uns mehrmals heute keine Idioten zu sein und immer dahin zu gucken, wo wir auch hinfahren wollen. Es dauert etwas sich an das Material und die Bedingungen zu gewöhnen, aber dann kann man es einigermaßen fliegen lassen, ohne sein Leben aufs Spiel zu setzen. 

Der erste Abschnitt auf der neuen Straße noch in karger Höhe.


Trotzdem gibt es noch Verkehr auf der alten Piste.

Die Strecke wird in 10 bis 15 Etappen aufgeteilt. Während der Pausen kann man Kleidungsschichten ablegen, durchatmen und den Geschichten des Guides Aufmerksamkeit schenken. Er erzählt von Che Guevara der sich in diesen Tälern versteckt hielt, von legalem und illegalem Kokaanbau, lokalen Legenden und natürlich von Busunglücken.

:)


Nach der Ankunft in Coroico, wo die von Kriegsgefangenen des bolivianisch-paraguayischen Chacokriegs gebaute Straße endet, besuchen wir noch eine Auffangstation für Affen und andere, von Menschen geplagte, Tiere. Wir befinden uns mittlerweile mitten im bolivianischen Dschungel. Es sich heiß, feucht und stickig. Dann steht die Rückfahrt nach La Paz an. Der Minibus nimmt die neue Straße und schiebt sich in altbekannte Höhen. Es beginnt zu schneien. Erst ein bisschen, dann heftig. Der Fahrer öffnet sein Fenster damit die Scheiben nicht beschlagen. Die LKW die uns entgegen kommen sind in einen dicken Schneepanzer gehüllt. Bolivien ist eine Spur rauer als Peru und ich fühle mich pudelwohl.  

Erschöft komme ich in meinem Hostal in La Paz an. Es ist wieder Nacht und frostig kalt. Die Dusche, die mir als warm angepriesen wurde, gibt weder warmes noch kaltes Wasser her. Ich lege mich in mein Bett und überlege mir was nun kommen soll. Wieviele Tage hab ich noch, was ist in Reichweite? Ich entscheide mich für den Salar de Uyuni. Danach will ich nach Ecuador zurück. 

Am nächsten Morgen mache ich mich auf zum Busbahnhof. Dort die Enttäuschung, Busse nach Uyuni fahren nur nachts. Ich will aber nicht so lange warten und entscheide mich daher für einen Bus nach Oruro, dass zwischen La Paz und Uyuni liegt. Der Bus kommt, ich steige ein, wir fahren los. Durch den endlos riesigen Altiplano. Keine Bäume, keine Häuser, keine Abwechslung. Die Zeit kriecht in ihrem langsamsten Tempo dahin. Ich verrotte.

Endlich ist es geschafft und kann schnur straks ein Restaurant ansteuern. Pizza mit frischen Oliven ist dass, was mir angeboten wird. Während ich auf mein Essen warte werfe ich wieder einen Blick in meinen Reiseführe und lese dort erstaunliches. Es gibt einen Zug von Oruro nach Uyuni. Der erste den ich in Südamerika benutzen werde.

Es ist der Wara-Wara-del-Sur-Express. Da das Ticket der ersten Klasse kaum mehr kostet, als das der zweiten, gönne ich mir mal was. Schade nur, dass die erste Klasse Passagiere im gleichen Wagen auf gleichen Sitzen Platz nehmen. Der Schaffner erklärt mir, der Unterschied liege im Ticket. Ach so. Das verschwendete Geld ist eine Diskussion nicht wert und ich lehne mich entspannt zurück.

Der charmante Wara-Wara-del-Sur-Express


Die Fahrt ist äußerst angenehm. Ich sitze neben einer Heizung und es werden Kissen und Decken verteilt. Wie auch in den Bussen wird im Wara-Wara ein Actionfilm zum Besten gegeben. Im melodischen Knattern der Maschinengewehre sinke ich in den Schlaf. Dann um 3 Uhr morgens die Ankunft in Uyuni. Im Halbschlaf wanke ich aus dem warmen Zug auf den Bahnsteig und erstarrt förmlich. Man wird mir berichten, dass es noch vor nur 2 Wochen hier in Uyuni -25 Grad waren. Jetzt um 3 Uhr morgens liegt die gefühlte Temperatur beim absoluten Nullpunkt. Ich habe meine Jacke im Gepäck und dieses im Gepäckwagen... Die Suche nach einem Hostal gestaltet sich als einfach. Uyuni besteht eigentlich nur aus Touristenunterkünften.

Uyuni

Die Länder: obern links Peru, unten Links Chile, rechts Bolivien. Links der Pazifik, denn Wüste/ Hochebene, oben rechts schneebedeckte Anden, Wolken und ganz oben rechts Amazonasgebiet. Der See im oberen Bereich ist der Titicacasee, der große Salzsee der Salar de Uyuni. Zwischen den beiden der, die oder das Altiplano.


Am nächsten Morgen wird mein schlimmster Albtraum wahr. Durchfall. Hauptverdächtiger sind die Oliven. Ich wollte eigentlich den Salar besichtigen, jetzt muss erstmal eine Pause eingelegt werden. Am nächsten Tag geht es mir dann deutlich schlechter. Der Mageninhalt sucht sich seinen Weg ins frei, nun auch oben heraus. Ich kann weder essen noch trinken. Auf ins Krankenhaus. Dort wird das typische schwere Geschütz aufgefahren: Spritzen in Arm und Po, knapp 70 Tabletten und Nahrung für Cholerapatienen. Ich bekomme alles was die Krankenhausapotheke zu bieten hat, frei nach der Devise irgendwas muss ja helfen. In meiner Tüte landen so zum Beispiel auch Halzschmerztabletten. Ich protestiere, die Doktorin beharrt auf ihren Pillenmix. 

Die Medizin zeigt bald ihre Wirkung. Ich bleibe trotzdem noch einen weiteren Tag im Hostel um dann eine eintägige Tour zu buchen. Ursprünglich standen 3 Tage auf meinem Wunschzettel. So habe ich Zeit mir in langsamem und gequältem Schritt Uyuni anzuschauen. Viel gibt es nicht und trotzdem ist es ein sonderbarer Ort. Mitten im (wie schon beschrieben) öden, riesigen, kargen, lebensfeindlichen und leeren Altiplano leben hier 20000 Menschen von Hotels und Reisebüros. Dazu vielleicht noch 10 vom Krankenhaus... In der Mitte der Stadt steht eine vermodernde Ralley-Dakar Statur, die ebenso unansehnlich ist wie die sie umgebenden Gebäude. 

Dann Beginnt der Ausflug. Das sich mein Mageninhalt nicht den Weg in die Freiheit bahnt liegt einzig und allein daran, dass es keinen Mageninhalt gibt. Es geht mir wieder elend und ich verharre weitesgehend auf meinem Platz im Geländewagen. Wir fahren zuerst zum Zugfriedhof von Uyuni. Dort gibt es verrostete Züge vor eindrucksvoller Kulisse. Dann fahren wir zum Salar de Uyuni.

Vielleicht Wara-Wara's Großvater.


Der Salar de Uyuni ist die größte Salzpfanne der Welt. Größer als der Titicacasee, viermal so groß wie das Saarland. 10.000.000.000 Tonnen Salz. Viel mehr kann man an dieser Stelle nicht beschreiben. Der Salar ist weiß so weit das Auge reicht. Darüber ist der Himmel wolkenlos und in einem monotonen blau. Ich glaube es gibt kaum einen Ort auf der Welt, an dem man so wenig sieht wie hier. Oben blau, unten weiß, überall. Das kann einen ganz schön erschlagen.

Endlos. Je nach Blickrichtung reicht der See auch weit über den Horizont hinaus.


Und dann gibt es doch etwas. Die Isla de Pescado (Fischinsel) ist eine Insel, auf der Kakteen wachsen. Diese sind bis zu 15 Meter hoch. Da sie einen Zentimeter pro Jahr wachsen kann man sich leicht ihr Alter errechnen. Ich bin im Winter, also der Trockenzeit gekommen. Wie gesagt oben blau, unten weiß. Während der Regenzeit ist oben gleich unten, da der dünne Wasserfilm, der dann auf dem Salar liegt, den Himmel spiegelt. Unser Guide kennt eine "Pfütze" (vielleicht 5 Hektar groß), an der man dieses optische Phänomen auch jetzt betrachten kann. Die Sonne geht unter und beschert uns wirre blau-zu-rot-Farbverläufe, sowohl am Himmel, als auch am Boden. 

Isla del Pescado mit uralten Kakteen.

Salar in der Regenzeit.


Dann geht es zurück nach Uyuni. Im Hostel wird mir dann ganz komisch zu Mute. Diesmal ´nicht im Magen, sondern im Kopf. Ich bin durch, das wars. Ein Blick auf meine kleine Südamerikakarte offenbart mir, dass ich auch hier schon einige Zentimeter zurückgelegt habe. Leider macht sie mir auch klar, dass ich all den Weg wieder zurück muss. Ohhjeh. Jetzt gibt es keine Motivation mehr neues zu sehen, die mich bisher angetrieben hat. Nur 4 Tage elende Busfahrt mit rampuniertem Verdauungstrakt.

Panamericana an Perus wüstiger Küste.

zu Hause  


Nach den wohl vier schlimmsten Tagen (ja, Durchfall im Bus ist schlimmer als im Hostal) meines Auslandsjahres und insgesamt gut 8.500km bin ich dann wieder zu Hause angekommen: In Ecuador. Es ist seltsam aber nach einem Jahr habe ich mich voll und ganz in Carapungo heimisch gefühlt. Und nach der Rückkehr aus Peru und Bolivien stand gleich die Rückkehr nach Deutschland an. 

Im Flugzeug hätte man eigentlich Zeit über das Erlebte nachzudenken. Es klappt nicht. Vielleicht war es zu viel, vielleicht hatte ich noch nicht genügend Abstand zu den Dingen. Zurückzukommen hat sich für mich seltsamer angefühlt, als loszugehen. Ich könnte jetzt Seiten mit Gefühlsduselei füllen, aber es ist 2 Uhr morgens. Es fehlt mir die Lust und ich sehe auch keinen Sinn darin. Ich denke ich habe euch auch so einiges vorgesetzt und bin ja auch noch nicht ganz fertig.

Denn zu allerletzt möchte ich mich hier noch bei einigen bedanken. Tröt tröt. 
Natürlich bei Familie und Freunden hier in Deutschland. Ich hatte zwar im letzten Jahr meistens einiges um die Ohren, trotzdem war es schön mit ein paar Geschichtchen aus der Heimat unterhalten zu werden.   

Thanks to all the volunteers who made the past year even better. Travelling and partying with you guys was awesome. I hope to see some of you soon, it's time for a reunion. :)

Besonders lobend erwähnt sei Antonia. Vielen Dank für das Jahr im Instituto Suizo!

Muchisimas gracias a mi familia ecuatoriana! Vivir con ustedes fue un placer. Gracias por las libertades que tenia y todo el apoyo que me han dado! Espero que un dia nos reuniremos. Un abrazo enorme desde Alemania!

:D


Ademas muchas gracias a toda mi gente en Ecuador! Mis nuevos amigos y compañeros del trabajo. Gracias a VASE por la buena organisacion del voluntariado y el cariño. Gracias Cris, por ser el mejor guia en el mariscal y un buen amigo.

Außerdem natürlich einen großen Dank an alle, die Geld in meinen Förderkreis gegeben haben und mir so dieses Jahr mit ermöglicht haben. Ich hoffe euch, sowie allen anderen, die das hier lesen, hat mein Blog ein wenig Spaß gemacht.

Das solls gewesen sein. 
Adios,
Euer Friedrich


 

 

Sonntag, 13. Juli 2014

Ende der Arbeit

Es geht zu Ende

Hört hört, es ist vollbracht! Während meines Freiwilligenjahres wurden gut 11 Monate Arbeit von mir verlangt und mit dem kommenden Montag geht dieses Zeit zu Ende. Was nun folgt ist quasi ein bisschen die Belohnung dafür. Satte drei Wochen Ferien ohne jegliche Pflichten dem Projekt, der Gastfamilie oder der hiesigen Organisation gegenüber. Gleich am Montag werde ich mich auf machen, Richtung Süden. Die Planung für diese Ferien sind äusserst schwammig, was das ganze noch aufregender macht. Ich verfüge über ordentlich Zeit, wohl genügend Geld und schier grenzenlose Freiheit. Ich bin in einem Maße aufgeregt, wie wohl vor noch keinem Urlaub zuvor. Abends lese ich oft in meinem Südamerikareiseführer und stelle mir vor, dass ich nun die Möglichkeit habe an mehr oder weniger jeden Ort zu reisen, von dem ich da lese. Natürlich nicht alle auf einmal, aber doch ein Lieblingort und dann alles in der Umgebung.

Nach tausend verschiedenen Plänen und Routen steht jetzt wenigstens fest, dass ich zunächst nach Peru fahre. Den Großteil (vielleicht auch die gesamte Zeit meiner Ferien) will ich dort verbringen. Was genau ich mir alles ansehen werde und ob es eventuell noch weiter als nur Peru geht, könnt ihr dann im letzten Eintrag dieses Blogs lesen, der wohl erst nach meiner Rückkehr erscheinen wird.
Es ist also Sonntag und in 7 Stunden wird Deutschland (hoffentlich) Fußballweltmeister sein. Morgen fahre ich nach Peru. Spannende zwei Tage! Der Abschied vom Projekt wird mir glaube ich nicht besonders schwer fallen. Es hat mir zwar Spaß gemacht, doch die Kinder sind schon weg und alles in allem war es doch anstrengende Arbeit und die Ferien sind mir sympathischer. Der Abschied von der Familie hingegen wird ungleich schwerer. Zunächst kann ich mich damit trösten, dass es ja noch garnicht der entgültige Abschied ist und ich nochmal für 2-3 Tage zurückkomme. Trotzdem wars das jetzt irgendwie mit Ecuador.

Gestern haben wir (einige Freiwillige) uns im Zentrum Quitos getroffen, um ein weiteres schwaches Spiel Brasiliens zu sehen. Danach bin ich im Bus wieder nach hause gefahren.  Soweit nichts aufregendes. Dennoch war es ein seltsames Gefühl. Eines der letzten Male das ich die mir jetzt so vertraute Landschat an mir vorbeiziehen werde. Ich muss an die ersten Tage in Ecuador und bei meiner Gastfamilie denken und muss fast ein bisschen Lachen, wiesehr sich meine Wahrnehmung verändert hat. Es kommt mir komisch vor, all dass einmal nicht gekannt zu haben. Andererseits bin ich traurig Ecuador bald hinter mir lassen zu müssen. Die Sonne geht gerade unter und der Gletscher des Cotopaxi leuchtet in einem kräftigen orange. Die Häuschen die an den Hügeln nahe Carapungo kleben sind schon halb im Dunkeln und die Lichter gehen langsam an. Ich fühle mich wie in einem Film, bei dem man nicht weiß, ob das Ende traurig oder fröhlich ist.

Zumindest ist der Protagonist zufrieden, sodass die Zuschauer beruhigt nach dem Film ins Bett gehen können. Ich bin zufrieden mit dem was ich im Projekt geleistet habe; ich bin zufieden mit dem was ich bisher gesehen und erlebt habe; ich bin zufrieden mit meinem Spanischkenntnissen und ich bin fast schon euphorisch, wenn ich an die Reise denke, die ich morgen anfangen werde.

Jetzt noch etwas zu "aktuellen Entwicklungen". Seit Montag bin ich nicht mehr der einzige Freiwillige meiner Gastfamilie. Dazugekommen ist Faustine aus Frankreich. Erfahren haben wir davon auch erst am Montag. Es war kein Zimmer frei und es herrschte leichtes Chaos. Mittlerweile hat sich das mir dem Zimmer geklärt. Juanito schläft jetzt zusammen mit Oma und Opa und Faustine hat sein Zimmer besetzt. Ich war immer ganz froh alleine bei meiner Familie gelebt zu haben. Ich hatte das Gefühl so alles etwas intensiver zu erfahren und nicht die Möglichkeit zu haben den Dingen auszuweichen, indem ich mich nur mit dem anderen Freiwilligen beschäftige. Jetzt, da ich schon mehr oder weniger alle meine Erfahrungen mit der Familie hier gesammelt habe, ist ein weiterer Mitbewohner eine nette Abwechslung. Es war zwar nur ein einwöchiges Intermezzo, da ich ja ab Montag nicht mehr hier bin, aber trotzdem sehr nett.

Wärend der nächsten gut 3 Wochen werde ich also kaum erreichbar sein. Ich wünsche euch eine angenehme Zeit und dann bin ich ja auch schon in weniger als einem Monat wieder in Deutschland! Jippi!

Alles liebe
euer Friedrich 

Donnerstag, 26. Juni 2014

Puerto Lopez 2


So was sagt man dazu? Ich befinde mich schon in der vorletzten Woche richtiger Arbeit! Toll, irgendwie. Doch doch wenn ich so drüber nachdenke ist es gut so. Ich habe mich zwar auch mit dem neuen Studenplan wieder angefreundet und die Arbeit geht mir leicht von der Hand aber irgendwann ists auch genug. Ich bin froh das Jahr mit den Kindern so schadlos überstanden zu haben und freue  mich mächtig auf die Ferien und die Heimreise.

Jetzt aber wieder zu den aktuellen Geschehnissen. Am vergangenen Wochenende bin ich mal wieder an den Strand gefahren und es war wohl das letzte Mal Ecua-Strand für mich. Nach Ecuadors fabelhaftem Sieg gegen Honduras steigen wir Freitag abend zu 5. in den Nachtbus Richtung Puerto Lopez. Wer bisher fleißig alle Einträge gelesen hat und über ein gutes Gedächnis verfügt, der wird sich vielleicht erinnern. Es ist mein zweites Mal Pt. Lopez. Wie auch beim ersten Mal steht der Strand Los Frailes ganz oben auf der Wunschliste aller beteiligten. In den vergangenen Monaten hat sich nicht viel geändert und so ist Los Frailes immernoch der schönste Strand in Ecuador, der mir bekannt ist.

schön, auf dem Hügel links befindet sich der Mirador
eine Welle wie gemacht fürs Bauchsurfen
Wir kommen also Samstag früh an und verbringen einen Großteil des Tages mit sonnen und faulenzen. Ab und zu "surfen" wir auf unseren Bäuchen in der Brandung. Später sehen wir eine starke Leistung der Ghanaer auf OromarTV. Bisher kannte ich nur die WM-Übertragungen von TC und gamaTV. Alle drei Sender zeigen alle Spiele der WM mit gleichem Bild und gleichem Kommentar (natürlich gleichzeitig). Wozu das gut sein soll ist mir schleierhaft.

Blick vom Mirador
Für Sonntag war dann die eigentlich größte Attraktion Puerto Lopez' geplant. Whale Watching. Da uns unser Tourismusministeriumsansprechpartner am Vortag einfach in Los Frailes hat sitzten lassen und wir unsere Heimkehr selbst einfädeln mussten, waren wir uns nicht sicher ob die Waltour stattfinden würde oder der gute Mann sich mit unserem Geld lieber eine entspannte Woche machen würde.

Die Waltour fand statt, undzwar so früh, dass ich mir das Frühstück in Rekordgeschwindigkeit reindrücken musste. Ich hätte es mir sparen können...
Eine ganze Flotte kleiner WhaleWatching Boote sticht von Puerto Lopez aus in See und geht auf "Waljagd". Guide und Gringos fachsimpeln über Meeressäuger und dabei kommen so einige erstaunliche Fakten ans Tageslicht. Auf die Frage wo sich die Wale denn paaren antwortet unser Guide: "Im Wasser!". Ich bin verdutzt. So hatte ich doch bisher angenommen Wale würden zur Paarung an Land kriechen und aus Bäumen ihre Nester bauen.

wir gehen auf Jagd
Bald sendet mein Magen beunruhigende Signale, die mich dazu veranlassen regungslos auf meinem Platz zu verharren. Es kommt zur ersten Sichtung, einige Touristen fallen vor Aufregung fast in Ohnmacht, andere fast vom Boot beim Versuch die besten Plätze zu ergattern. Das Boardpersonal gibt mir eine Tablette und verbleibe vorerst in meiner Paralyse. Mit quasi null Bewegungsaufwand gelingt es mir einige Wale zu fotografieren. Sie sind groß und sehr entspannt. Keine Sprünge, keine Platscher mit der Schwanzflosse. Mir in meiner gegenwärtigen Verfassung äußerst symptisch.
Mittlerweile ist ein großer Teil unserer Gruppe vom permanenten Schaukeln zwangsberuhigt. Den Beweis, dass die Tabletten nicht sehr wirkungsvoll waren, trete ich als erster an. Walgleich speie ich eine Fontäne in die Luft. Und nocheine. Der Trend ist gesetzt und es wird sich reihenweise übergeben.  
Moby Dick 1

Moby Dick 2

Nach diesem Spaß dürfen noch alle, die sich dazu im Stande sehen, schnorcheln. Ich bleibe lieber bei meiner Taktik des nicht bewegens. Wir schauen noch das Portugal - USA Spiel und setzen uns dann in den Nachtbus zurück nach Quito.

Wie so oft fällt mir das schlafen im Bus schwer und um etwa 5 uhr morgens kommen wir endlich an. Im Taxi nach Hause und von da in die Schule. Die meissten anderen gönnen sich am Montag eine Auszeit aber pflichbewusst wie ich bin, kommt das für mich natürlich nicht in Frage. Die Quittung bekomme ich dann mit etwas Verspätung am Dienstag. Alles schmerzt und der Kopf glüht. Ich lege meine Pause also am Mittwoch ein. Heute geht es mir aber schon wieder blendend.

Dann noch ein paar Worte zur Schule. Noch eine Woche fehlt und langsam kommt Melanchonie auf. Die Kinder von Inicial II hatten heute ihren letzten Schultag und wurden verabschiedet. Schulleiter Luis tritt auf die Bühne und kündigt mich als nächsten Redner an. Huch. Zum Glück sind ecuatorianische Reden gut zu improvisieren. Die Arbeit was ein wahres Vergnügen, ich wünsche allen wunderbare Ferien, den Kindern eine tolle Entwicklung im nächsten Schuljahr, danke an die Kinder, die Eltern, die Schule, das Land, danke, danke, fertig.

Danach kam noch eine echte Überraschung. Wir haben für die letzte Schulwoche einen neuen Freiwilligen bekommen. Er wird sogar einen Monat im Projet bleiben. Was er dann ohne Schüler macht weiß er selbst noch nicht. Sein Name ist Gaitan und er kommt aus Frankreich. Er scheint genauso nett wie überflüssig zu sein aber was solls. Lustigerweise ist er einen halben Tag lang "mein" Freiwilliger. Ich steige also kurz vor Schluss auf in die Liga der Lehrer, die einen Freiwilligen an die Seite gestellt bekommen. In etwa als würde man mir einen Orden verleihen. Er darf dann für mich Kegel und Hulahulas durch die gegend tragen, die Anwesenheit der Schüler übreprüfen und böse Kinder zum Weinen bringen. Super!

Ich habe vor noch genau 2 Blogeinträge zu schreiben. Einen kurz vor meiner letzten Reise, in etwa zwei Wochen. Und einen wahrscheinlich schon aus Deutschland, der sich mit eben dieser Reise und auch der Rückkehr befasst. Ihr seht, lange bin ich nicht mehr weg. In sechseinhalb Wochen bin ich wieder im Land des dann hoffentlich Fußballweltmeisters.

Ihr hört bald wieder von mir,
Hasta Pronto Muchachos!

Sonntag, 1. Juni 2014

Mai, Montanita, Alltag

Hallo liebe Leser!

Heute ein bisschen was von meiner letzten Wochenendsreise und meinem Alltag in Ecuador, Quito und Carapungo.

Wie im letzten Bericht angesprochen sind wir für den ersten Mai und das darauf folgende Wochenende an den Strand gefahren. Am Busbahnhof ist dann die Entscheidung gefallen.  Zum Ziel wurde diesesmal Montanita auserkoren. Erstens weil noch keiner unserer kleinen Gruppe (Simon, Julian und ich) dort war, zweitens weil es so was wie ein Muss für alle Freiwilligen ist.

Ziemlich weit im Süden, in der Provinz Santa Elena und unweit Guayaquils gelegen, befindet sich Ecuadors Küsten-Gringodorf Nummer eins.
Der Strand von Montanita an einem bedeckten Morgen.

Die Ziele an der nördlichen Küste sind von Quito aus recht einfach und schnell zu erreichen. Wer in den Süden will muss hingegen mehr Zeit und Nerven investieren. Da wir aber bereits Kenner des ecuatorianischen Reisens sind, sind gut 15 Stunden in mehreren Bussen keine Odyssee mit permanenter Nervenbelastung mehr. Eigentlich mag ich langes Busfahren sogar ein bisschen. Man kann prima dösen oder schlafen und falls man von beidem genug hat guckt man eben aus dem Fenster. Dazu eignet sich meiner Meinung nach Portoviejo besonders gut. Einerseits weiß man, wenn man da ist, dass schon mehr als die Hälfte geschafft ist, andererseits hat Portoviejo den Charme, den ich vor meiner Ankunft hier als typisch südamerikanisch beschrieben hätte. Die Umgebung ist leicht hügelig und in den Vororten und Randbezirken drängen sich simple Hütten mit Wellblechdächern und bunt bemalten Wänden. Die Sonne geht gerade auf und die Eingänge dieser kleinen Heime werden noch von der obligatorischen Glühbirne erhellt, die an ihrem Kabel vom Wellblech herunterhängt. Wäre das Meer schon in Sicht, hätte das ganze was von einem der Dörfer an Kolumbiens Karibikküste die ich gesehen habe.
Dank Simons Unterwasserkamera kann ich euch dieses grandiose Bild einer Welle liefern.

Einige Stunden später kommen wir dann in Montanita an. Der kleine Ort ist voll auf Touristen ausgelegt und vorallem berühmt für zwei Dinge: 1. Surfen, 2. Nachtleben. Beides wird fröhlich betrieben und nach einem lustigen langen Wochenende fahren Sonntag früh um 5 Uhr morgens wieder nach Quito zurück. Nach ein paar Tagen am Strand ist es immer ein bisschen traurig in die Hauptstadt zurückzukehren, denn dort erwarten einen Kälte (relativ) und schlimmer die Tristes des Alltags.
Surfgott! ;) Ich weiß man kann das Board nicht sehen aber es ist da. Von Montanita an sich hab ich leider keine Fotos aber bei Google gibs genügend.

Da ich den wohl länger nicht mehr beschrieben habe kommt jetzt mal der Tagesablauf eines normalen Montags:

Der Wecker klingelt um 5:45 Uhr. Es ist finster in meinem Zimmerchen aber ein Problem ist das eigentlich nicht. Die Orientierung ist recht einfach; das Zimmer ist klein genug, dass man quasi immer Wandkontakt herstellen kann. Ich stehe also auf, drehe mich nach rechts, 2 Schritte, Arme ausfahren, Wand abtasten und Lichtschalter umlegen. Das orange-gelbe Licht der von mir gekauften Energiesparlampe (ich hatte auch mal garkein Licht) flackert auf. Es ist ein bisschen unordentlich aber das stört weder mich noch die Gastfamilie. Die Sachen sind schon lange alle an den Orten, die ich für sie am Sinnvollsten halte. Etwas Kram auf meinem Schrank, alte Wäsche im Korb, andere Wäsche auf meinem Stuhl. Das wars. Mein Blick schweift zufrieden über meine 7 Sachen.

Ich stehe also beim Lichtschalter und direkt vor der Tür. Das Wohlgefühl, dass mich beim Anblick meines clever eingerichteten Zimmers überkommen will muss aber zurückgehalten werden. Konzentration ist gefragt. Der spannendste Teil des Morgens beginnt. Eine kurze Weile stehe ich wie angewurzelt da und lausche. Ziel dieser Übung ist es herauszufinden, ob Rocio schon von ihrem Frühsport zurück ist, oder ob ich als erster unter die Dusche springen  kann. Nicht unwichtig, dann wenn ich zuerst dran bin habe ich für alles folgende viel mehr Zeit und der Morgen gestaltet sich entspannter.

In der Regel ist es still, ich greife mir gerade das Handtuch und dann geht die Wohnungstür auf und Rocio tritt ein. Würde ich mich jetzt in Richtung Bad bewegen würde sie mich bitten Johanna und sie vorzulassen. Ich bleibe also gleich in meinem Zimmer und lege mich wieder hin. Das Licht bleibt an. Einerseits weil ich nicht wieder einschlafen will, andererseits auf Grund eines angenehmen Effekts.

Aus der Leitung kommt nur kaltes Wasser. Um lauwarm duschen zu können ist ein elektrischer Heizkopf an der Dusche angebracht. Dreht nun jemand Wasser auf, dann geht der Heizkopf an und alle Lampen der Etage werden ein bisschen dunkler. Ich liege also wieder im Bett, das Licht verliert vielleicht ein Drittel seiner Stärke und ich warte darauf, dass es wiederkommt. Ist es dann soweit und mir geht mein Licht wieder auf, dann kann ich duschen. Danach anziehen nach unten und essen.

Das Frühstück Besteht oft aus Papaya, Ei und Brot. Dazu irgendeine Colada. Bin ich fertig stapfe ich wieder hoch, putze Zähne und schnapp mir meinen Rucksack.

Früher habe ich den Transporsel Bus genommen. Jetzt gehe ich lieber zur Haltestelle beim Fußballplatz. Dort kann ich zwischen Pomasqui und Semgyllfor Bus wählen. Ich bevorzuge den Semgyllfor weil da die Chance besteht einen Sitzplatz zu bekommen. Rocio ist eher für den Pomasqui, weil der eine Haltestelle oberhalb der Schule hat und man also bergab laufen kann, wohingegen der Semgyllfor unterhalb der Schule hält und man hoch gehen muss.
Die Kinder reihen sich auf um der Heimat Tribut zu zollen.

Wie auch immer irgendwie komme ich zur Schule. Montag ist da ein besonderer Tag. Erste Stunde Fahnenappell. Alle Schüler und Lehrer sammeln sich auf dem oberen Sportplatz. Die Klassen beziehen Formation. Es wird gemeinsam gebetet, die Nationalhymne, die Quito-Hymne und das Heimatlied gesungen. Eine Klasse berichtet irgendetwas zu einem Tag der in dieser Woche ist (Tag des Wassers, Tag des Buches, was auch immer) und dann bewegen sich alle wieder Richtung Klassenraum.
Eine besondere Darbietung von Paolo und Guillermo.

Meine erste Unterrichtsstunde ist Englisch mit Inicial II A. Eine Horde 4 jähriger ist in froher Erwartung ihren Profe zu sehen und ihre erste Fremdsprache zu lernen, bevor sie ihre Muttersprache richtig beherrscht. Es wird viel gesungen und ein bisschen auswendig gelernt. Verstanden wird, so denke ich, fast nichts.

Danach die 1A. Ein Jahr älter und schon erstaunlich besser. Sie lernen gerade das Present Progressive. Ich denke das kommt ein bisschen zu schnell und verwirrt die Kinder eher, da sie die Funktionen der grammatischen Formen nicht recht überblicken können. Die ersten Stunden hatte ich mit Alicia (nette Englischlehrerin mit für Erstklässler meist ausreichenden Englischkenntnissen).

Jetzt habe ich schon meine Pause, da ich in der eigentlichen Pause arbeiten werde. Grund dafür ist, dass man bei der Planung für den Englischunterricht eine Klasse vergessen hatte und damit die nicht zu sehr abfällt kommen jetzt die Freiwilligen Antonia und Friedrich in der Pause vorbei und reden in einer Sprache die die Kinder kaum verstehen. Lustigerweise ist diese Sprache spanisch, aber es handelt sich wieder um eine Klasse von Inicial II, die gerade erst spanisch lernen. Gut das meiste verstehen sie schon, aber das wir von Anfang an mit diesen Kindern arbeiten sollten (da konnten wir beide noch kein bisschen spanisch) fand ich schon ein bisschen komisch.

Mittlerweile können wir wenigstens auf spanisch mit den Kindern von Inicial II C reden, englisch ist wohl eine Utopie die man sich abschminken muss. Inicial II C ist für mich eine der schwersten Klassen, nicht nur weil wir gut 2 Monate im Unterricht vor ihnen standen und nicht mit ihnen kommunizieren konnten, sondern auch weil die Kinder nicht einfach sind. Mikel zum Beispiel ist total behindert (keine Beleidigung sondern objektive Feststellung) und auch Axel und Ostin haben irgendwelche Probleme, die sie vom lernen abhalten und sie lieber schreien und Weihnachtslieder singen lassen. Wenn von vielleicht 12 Kindern drei in permanente Extase verfallen ist das auch nicht gut für die Disziplin der Übrigen...

Dann der Sportunterricht. 3A mit Sportlehrer Danny. Die 3A ist nett und Danny geht nach 25 Minuten zur Uni. Den Rest des Tages habe ich alleine.

Auf die 3A folgen die 8. und 10. die zusammen Sport haben. Besonders bei der 8. muss ich oft lange Überzeugungsarbeit leisten bis sich einige der Kinder in Bewegung setzten. Manchmal ist es mühsam, manchmal macht es aber auch Spaß.

Die letzte Stunde habe ich mit der 6B. Die 6B ist eine der Angenehmsten Klassen überhaupt und es macht eigentlich immer Spaß mit ihnen.

Schon ist der Schultag geschafft und es geht nach Hause. Dort wartet  bereits Juanito, der nur bis 12 Uhr Schule hat und Dragon Ball guckt (immer). Die Oma serviert Suppe, danach Reis (immer).
Ich spiele ein bisschen mit dem Kindern, helfe Johanna bei Hausaufgaben und verkrieche mich dann in mein Zimmer um etwas entspannen zu können. Später gibt es noch Abendbrot (Suppe, immer) und dann gehe ich relativ früh ins Bett.
Johanna auf meinen Schultern beim Nispero (Japanische Wollmispel) pflücken,

Im Moment gibt es einige Probleme mit Johannas schulischen Leitungen. In der vergangenen Woche hatten die Kinder Pruebas (Klassenarbeiten) in alles Fächern. Auch ich habe Prüfungen in Sport und Englisch abgenommen. Das läuft dann in etwa so. Seilspringen: wer nichts kann bekommt 7 von 10 Punkten, wer mindestens einmal hinbekommt 8, mehr als ein Drittel 9 und mehr als die Hälfte 10 von 10 Punkten. Ähnlich großzügig geht es in den anderen Fächern zu. Trotzdem hat Johanna es geschafft in Englisch und Mathe 0 Punkte zu bekommen. Ausserdem hat sie von einem anderen Kind 20 Cent "Schutzgeld" durch angedrohte Schläge erpresst. Dafür wurden ihr von Rocio Schläge nicht nur angedroht...

Es sind also etwas turbulente Zeiten bei meiner Gastfamilie und zumindest die Oma hatte wohl Befürchtungen es könnten sich Dinge fundamental ändern. Doch es gibt auch zuverlässige Konstanten auf die immer Verlass ist, wenn man sich nach Stabilität und Ordnung sehnt. Allen voran das Sterben der Hunde. Rocky hat wohl die schlecht Stimmung gespürt und entschieden zum Wohle aller von uns zu gehen. Der Hund ist tot und alle sind beruhigt, dass das Leben wohl doch nicht verrückt spielt und die wichtigen Dinge so bleiben wie sie sind.

Die letzten Zeilen waren wohl etwas sarkastisch aber so fühle ich mich halt wenn ich sehe wie unsere Hunde sterben wie die Fliegen. Schon 5 in 10 Monaten. 2 mal Auto 3 mal Seuche. In diesem spannenden Duell der Todesursachen hat sich die Seuche mit Rocky's Tod wieder die Führung gesichert. Mal sehen ob die Autofahrer demnächst ausgleichen können. Unser einzig verbliebender Hund Rambo ist bald alt genug um auf die Straße zu rennen...

2 Tage später. Rambo ist ebenfalls an einer Krankheit gestorben. Wir haben schon zwei neue, noch namenlose Hunde.

Genug von Hunden. Das Ende meines Jahres hier rast auf mich zu. Heute habe ich nur noch 22 Arbeitstage mit den Kindern vor mir. Dann eine Woche ohne und schon beginnen die großen Ferien. Ich werde nach Peru tuckern und mir das Land ein bisschen ansehen. Danach komme ich nochmal für ein zwei Tage nach Quito um mich zu verabschieden und schon werde ich im Flugzeug nach Deutschland sitzen. Ein seltsames Gefühl. Außerdem beginnt die WM bald. Die Spannung steigt langsam und ich habe es endlich geschafft mir eine Fälschung des Ecuador Trikots zu kaufen.

Wie gewöhnlich ist der Bericht schon länger fertig und wartet darauf abgeschickt zu werden. Und wieder hat sich was geändert. Der Alltag hier ist nämlich vor allem von Inkonstanz geprägt. Da habe ich mich gerade mit den älteren Schülern angefreundet, schon hab ich sie nicht mehr. Sportlehrer Danny wird jetzt immer morgens zur Uni gehen und Nachmittags hier sein. Ich habe also wieder mit den Kleinen Sport. Die ersten drei Stunden alleine. So richtig passt mir das nicht in den Kram aber ändern kann man es halt auch nicht.
Das solls fürs Erste wieder gewesen sein. Ein Gruß ins Land der Konstanz und Zuverlässigkeit.

Bis zum nächsten Mal (oft wirds nicht mehr sein).

Euer Friedrich.