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Sonntag, 1. Juni 2014

Mai, Montanita, Alltag

Hallo liebe Leser!

Heute ein bisschen was von meiner letzten Wochenendsreise und meinem Alltag in Ecuador, Quito und Carapungo.

Wie im letzten Bericht angesprochen sind wir für den ersten Mai und das darauf folgende Wochenende an den Strand gefahren. Am Busbahnhof ist dann die Entscheidung gefallen.  Zum Ziel wurde diesesmal Montanita auserkoren. Erstens weil noch keiner unserer kleinen Gruppe (Simon, Julian und ich) dort war, zweitens weil es so was wie ein Muss für alle Freiwilligen ist.

Ziemlich weit im Süden, in der Provinz Santa Elena und unweit Guayaquils gelegen, befindet sich Ecuadors Küsten-Gringodorf Nummer eins.
Der Strand von Montanita an einem bedeckten Morgen.

Die Ziele an der nördlichen Küste sind von Quito aus recht einfach und schnell zu erreichen. Wer in den Süden will muss hingegen mehr Zeit und Nerven investieren. Da wir aber bereits Kenner des ecuatorianischen Reisens sind, sind gut 15 Stunden in mehreren Bussen keine Odyssee mit permanenter Nervenbelastung mehr. Eigentlich mag ich langes Busfahren sogar ein bisschen. Man kann prima dösen oder schlafen und falls man von beidem genug hat guckt man eben aus dem Fenster. Dazu eignet sich meiner Meinung nach Portoviejo besonders gut. Einerseits weiß man, wenn man da ist, dass schon mehr als die Hälfte geschafft ist, andererseits hat Portoviejo den Charme, den ich vor meiner Ankunft hier als typisch südamerikanisch beschrieben hätte. Die Umgebung ist leicht hügelig und in den Vororten und Randbezirken drängen sich simple Hütten mit Wellblechdächern und bunt bemalten Wänden. Die Sonne geht gerade auf und die Eingänge dieser kleinen Heime werden noch von der obligatorischen Glühbirne erhellt, die an ihrem Kabel vom Wellblech herunterhängt. Wäre das Meer schon in Sicht, hätte das ganze was von einem der Dörfer an Kolumbiens Karibikküste die ich gesehen habe.
Dank Simons Unterwasserkamera kann ich euch dieses grandiose Bild einer Welle liefern.

Einige Stunden später kommen wir dann in Montanita an. Der kleine Ort ist voll auf Touristen ausgelegt und vorallem berühmt für zwei Dinge: 1. Surfen, 2. Nachtleben. Beides wird fröhlich betrieben und nach einem lustigen langen Wochenende fahren Sonntag früh um 5 Uhr morgens wieder nach Quito zurück. Nach ein paar Tagen am Strand ist es immer ein bisschen traurig in die Hauptstadt zurückzukehren, denn dort erwarten einen Kälte (relativ) und schlimmer die Tristes des Alltags.
Surfgott! ;) Ich weiß man kann das Board nicht sehen aber es ist da. Von Montanita an sich hab ich leider keine Fotos aber bei Google gibs genügend.

Da ich den wohl länger nicht mehr beschrieben habe kommt jetzt mal der Tagesablauf eines normalen Montags:

Der Wecker klingelt um 5:45 Uhr. Es ist finster in meinem Zimmerchen aber ein Problem ist das eigentlich nicht. Die Orientierung ist recht einfach; das Zimmer ist klein genug, dass man quasi immer Wandkontakt herstellen kann. Ich stehe also auf, drehe mich nach rechts, 2 Schritte, Arme ausfahren, Wand abtasten und Lichtschalter umlegen. Das orange-gelbe Licht der von mir gekauften Energiesparlampe (ich hatte auch mal garkein Licht) flackert auf. Es ist ein bisschen unordentlich aber das stört weder mich noch die Gastfamilie. Die Sachen sind schon lange alle an den Orten, die ich für sie am Sinnvollsten halte. Etwas Kram auf meinem Schrank, alte Wäsche im Korb, andere Wäsche auf meinem Stuhl. Das wars. Mein Blick schweift zufrieden über meine 7 Sachen.

Ich stehe also beim Lichtschalter und direkt vor der Tür. Das Wohlgefühl, dass mich beim Anblick meines clever eingerichteten Zimmers überkommen will muss aber zurückgehalten werden. Konzentration ist gefragt. Der spannendste Teil des Morgens beginnt. Eine kurze Weile stehe ich wie angewurzelt da und lausche. Ziel dieser Übung ist es herauszufinden, ob Rocio schon von ihrem Frühsport zurück ist, oder ob ich als erster unter die Dusche springen  kann. Nicht unwichtig, dann wenn ich zuerst dran bin habe ich für alles folgende viel mehr Zeit und der Morgen gestaltet sich entspannter.

In der Regel ist es still, ich greife mir gerade das Handtuch und dann geht die Wohnungstür auf und Rocio tritt ein. Würde ich mich jetzt in Richtung Bad bewegen würde sie mich bitten Johanna und sie vorzulassen. Ich bleibe also gleich in meinem Zimmer und lege mich wieder hin. Das Licht bleibt an. Einerseits weil ich nicht wieder einschlafen will, andererseits auf Grund eines angenehmen Effekts.

Aus der Leitung kommt nur kaltes Wasser. Um lauwarm duschen zu können ist ein elektrischer Heizkopf an der Dusche angebracht. Dreht nun jemand Wasser auf, dann geht der Heizkopf an und alle Lampen der Etage werden ein bisschen dunkler. Ich liege also wieder im Bett, das Licht verliert vielleicht ein Drittel seiner Stärke und ich warte darauf, dass es wiederkommt. Ist es dann soweit und mir geht mein Licht wieder auf, dann kann ich duschen. Danach anziehen nach unten und essen.

Das Frühstück Besteht oft aus Papaya, Ei und Brot. Dazu irgendeine Colada. Bin ich fertig stapfe ich wieder hoch, putze Zähne und schnapp mir meinen Rucksack.

Früher habe ich den Transporsel Bus genommen. Jetzt gehe ich lieber zur Haltestelle beim Fußballplatz. Dort kann ich zwischen Pomasqui und Semgyllfor Bus wählen. Ich bevorzuge den Semgyllfor weil da die Chance besteht einen Sitzplatz zu bekommen. Rocio ist eher für den Pomasqui, weil der eine Haltestelle oberhalb der Schule hat und man also bergab laufen kann, wohingegen der Semgyllfor unterhalb der Schule hält und man hoch gehen muss.
Die Kinder reihen sich auf um der Heimat Tribut zu zollen.

Wie auch immer irgendwie komme ich zur Schule. Montag ist da ein besonderer Tag. Erste Stunde Fahnenappell. Alle Schüler und Lehrer sammeln sich auf dem oberen Sportplatz. Die Klassen beziehen Formation. Es wird gemeinsam gebetet, die Nationalhymne, die Quito-Hymne und das Heimatlied gesungen. Eine Klasse berichtet irgendetwas zu einem Tag der in dieser Woche ist (Tag des Wassers, Tag des Buches, was auch immer) und dann bewegen sich alle wieder Richtung Klassenraum.
Eine besondere Darbietung von Paolo und Guillermo.

Meine erste Unterrichtsstunde ist Englisch mit Inicial II A. Eine Horde 4 jähriger ist in froher Erwartung ihren Profe zu sehen und ihre erste Fremdsprache zu lernen, bevor sie ihre Muttersprache richtig beherrscht. Es wird viel gesungen und ein bisschen auswendig gelernt. Verstanden wird, so denke ich, fast nichts.

Danach die 1A. Ein Jahr älter und schon erstaunlich besser. Sie lernen gerade das Present Progressive. Ich denke das kommt ein bisschen zu schnell und verwirrt die Kinder eher, da sie die Funktionen der grammatischen Formen nicht recht überblicken können. Die ersten Stunden hatte ich mit Alicia (nette Englischlehrerin mit für Erstklässler meist ausreichenden Englischkenntnissen).

Jetzt habe ich schon meine Pause, da ich in der eigentlichen Pause arbeiten werde. Grund dafür ist, dass man bei der Planung für den Englischunterricht eine Klasse vergessen hatte und damit die nicht zu sehr abfällt kommen jetzt die Freiwilligen Antonia und Friedrich in der Pause vorbei und reden in einer Sprache die die Kinder kaum verstehen. Lustigerweise ist diese Sprache spanisch, aber es handelt sich wieder um eine Klasse von Inicial II, die gerade erst spanisch lernen. Gut das meiste verstehen sie schon, aber das wir von Anfang an mit diesen Kindern arbeiten sollten (da konnten wir beide noch kein bisschen spanisch) fand ich schon ein bisschen komisch.

Mittlerweile können wir wenigstens auf spanisch mit den Kindern von Inicial II C reden, englisch ist wohl eine Utopie die man sich abschminken muss. Inicial II C ist für mich eine der schwersten Klassen, nicht nur weil wir gut 2 Monate im Unterricht vor ihnen standen und nicht mit ihnen kommunizieren konnten, sondern auch weil die Kinder nicht einfach sind. Mikel zum Beispiel ist total behindert (keine Beleidigung sondern objektive Feststellung) und auch Axel und Ostin haben irgendwelche Probleme, die sie vom lernen abhalten und sie lieber schreien und Weihnachtslieder singen lassen. Wenn von vielleicht 12 Kindern drei in permanente Extase verfallen ist das auch nicht gut für die Disziplin der Übrigen...

Dann der Sportunterricht. 3A mit Sportlehrer Danny. Die 3A ist nett und Danny geht nach 25 Minuten zur Uni. Den Rest des Tages habe ich alleine.

Auf die 3A folgen die 8. und 10. die zusammen Sport haben. Besonders bei der 8. muss ich oft lange Überzeugungsarbeit leisten bis sich einige der Kinder in Bewegung setzten. Manchmal ist es mühsam, manchmal macht es aber auch Spaß.

Die letzte Stunde habe ich mit der 6B. Die 6B ist eine der Angenehmsten Klassen überhaupt und es macht eigentlich immer Spaß mit ihnen.

Schon ist der Schultag geschafft und es geht nach Hause. Dort wartet  bereits Juanito, der nur bis 12 Uhr Schule hat und Dragon Ball guckt (immer). Die Oma serviert Suppe, danach Reis (immer).
Ich spiele ein bisschen mit dem Kindern, helfe Johanna bei Hausaufgaben und verkrieche mich dann in mein Zimmer um etwas entspannen zu können. Später gibt es noch Abendbrot (Suppe, immer) und dann gehe ich relativ früh ins Bett.
Johanna auf meinen Schultern beim Nispero (Japanische Wollmispel) pflücken,

Im Moment gibt es einige Probleme mit Johannas schulischen Leitungen. In der vergangenen Woche hatten die Kinder Pruebas (Klassenarbeiten) in alles Fächern. Auch ich habe Prüfungen in Sport und Englisch abgenommen. Das läuft dann in etwa so. Seilspringen: wer nichts kann bekommt 7 von 10 Punkten, wer mindestens einmal hinbekommt 8, mehr als ein Drittel 9 und mehr als die Hälfte 10 von 10 Punkten. Ähnlich großzügig geht es in den anderen Fächern zu. Trotzdem hat Johanna es geschafft in Englisch und Mathe 0 Punkte zu bekommen. Ausserdem hat sie von einem anderen Kind 20 Cent "Schutzgeld" durch angedrohte Schläge erpresst. Dafür wurden ihr von Rocio Schläge nicht nur angedroht...

Es sind also etwas turbulente Zeiten bei meiner Gastfamilie und zumindest die Oma hatte wohl Befürchtungen es könnten sich Dinge fundamental ändern. Doch es gibt auch zuverlässige Konstanten auf die immer Verlass ist, wenn man sich nach Stabilität und Ordnung sehnt. Allen voran das Sterben der Hunde. Rocky hat wohl die schlecht Stimmung gespürt und entschieden zum Wohle aller von uns zu gehen. Der Hund ist tot und alle sind beruhigt, dass das Leben wohl doch nicht verrückt spielt und die wichtigen Dinge so bleiben wie sie sind.

Die letzten Zeilen waren wohl etwas sarkastisch aber so fühle ich mich halt wenn ich sehe wie unsere Hunde sterben wie die Fliegen. Schon 5 in 10 Monaten. 2 mal Auto 3 mal Seuche. In diesem spannenden Duell der Todesursachen hat sich die Seuche mit Rocky's Tod wieder die Führung gesichert. Mal sehen ob die Autofahrer demnächst ausgleichen können. Unser einzig verbliebender Hund Rambo ist bald alt genug um auf die Straße zu rennen...

2 Tage später. Rambo ist ebenfalls an einer Krankheit gestorben. Wir haben schon zwei neue, noch namenlose Hunde.

Genug von Hunden. Das Ende meines Jahres hier rast auf mich zu. Heute habe ich nur noch 22 Arbeitstage mit den Kindern vor mir. Dann eine Woche ohne und schon beginnen die großen Ferien. Ich werde nach Peru tuckern und mir das Land ein bisschen ansehen. Danach komme ich nochmal für ein zwei Tage nach Quito um mich zu verabschieden und schon werde ich im Flugzeug nach Deutschland sitzen. Ein seltsames Gefühl. Außerdem beginnt die WM bald. Die Spannung steigt langsam und ich habe es endlich geschafft mir eine Fälschung des Ecuador Trikots zu kaufen.

Wie gewöhnlich ist der Bericht schon länger fertig und wartet darauf abgeschickt zu werden. Und wieder hat sich was geändert. Der Alltag hier ist nämlich vor allem von Inkonstanz geprägt. Da habe ich mich gerade mit den älteren Schülern angefreundet, schon hab ich sie nicht mehr. Sportlehrer Danny wird jetzt immer morgens zur Uni gehen und Nachmittags hier sein. Ich habe also wieder mit den Kleinen Sport. Die ersten drei Stunden alleine. So richtig passt mir das nicht in den Kram aber ändern kann man es halt auch nicht.
Das solls fürs Erste wieder gewesen sein. Ein Gruß ins Land der Konstanz und Zuverlässigkeit.

Bis zum nächsten Mal (oft wirds nicht mehr sein).

Euer Friedrich.

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